Sommernachtsgeflüster
werden würden, und sie sichergestellt hatte, dass er mit einem Bild beschäftigt war, das all seiner Aufmerksamkeit bedurfte und ihm keine Zeit lassen würde, darüber nachzudenken, wie er seinen Amerikaner finden konnte (Gott sei Dank gab es keinen Computer im Haus, und »Internet« war für Rory bisher ein Fremdwort), beschloss sie, dass es Zeit war zu gehen. Vorher hatte sie Susan noch eingeschärft, dass Lara viermal so viel Futter wie gewöhnlich brauchte.
Rory und sie fuhren zum letzten Mal hinaus zu den Seehunden, unternahmen einen letzten Spaziergang auf den Hügel hinter dem Haus, und Thea sorgte dafür, dass seine Schränke mit nahrhaften Lebensmitteln gut gefüllt waren. Es würde sehr traurig sein, dem Cottage Lebewohl zu sagen. Es war ein idyllisches Fleckchen - nur dass das echte Leben sich anderswo abspielte, wenigstens soweit es sie betraf.
Sie gab Rory ein Buch über die Welpenaufzucht, dass sie gekauft hatte. »Da steht drin, wann du sie an festes Futter gewöhnen musst und alles andere, was wichtig ist. In acht Wochen, das ist dann, wenn ich nur noch einen Monat Zeit habe, um die Galerie zu eröffnen« - das betonte sie so, um ihm noch einmal unter die Nase zu reiben, wie unvernünftig er war - »werde ich wieder herkommen und meinen Welpen abholen. Den Kleinen.«
»Klar. Aber ob er durchkommt?«
»Wenn er stirbt, Rory, werde ich ... Lass ihn einfach nicht sterben.«
Sie hatte Susan gebeten, sie zum Flughafen zu bringen, und ihr dafür Geld gegeben, das sie nicht hatte. Als sie losfuhren, sah sie aufgeregt und vor allem angsterfüllt aus dem Wagenfenster.
Dies sind meine letzten Augenblicke als sorgenfreie, von der Hand in den Munde lebende, zahlungsfähige Frau, dachte sie. Wenn ich wieder zu Hause bin, stehe ich in der wirklichen Welt, muss Kredite aufnehmen, Räumlichkeiten finden, eben das tun, was Erwachsene tun. Sie seufzte so tief, dass Susan es bemerkte und sie fragend anblickte. Thea setzte schnell ein Lächeln auf. »War ein bisschen spät gestern Abend.«
»Oh. War es das?«
»Susan, vielleicht ist Ihnen egal, ob es so war oder nicht, aber ich kann es Ihnen genauso gut erzählen: Rory und ich haben nicht miteinander geschlafen. Ich bin nur an seiner Arbeit interessiert.«
»Sie kannten seine Arbeit aber noch gar nicht, als Sie hierher kamen, und sind trotzdem gekommen.«
»Ich weiß. Es waren Illusionen, denen ich nachhing. Ich dachte, ich wäre auf ein Abenteuer mit einem gut aussehenden jungen Mann aus. Was ich aber wirklich wollte, war eine Aufgabe.«
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Kapitel 10
T hea war auf ein Chaos gefasst, als sie die Haustür öffnete. Aber der Flur sah so aus wie immer, staubig, die Bilder an der Wand waren leicht verrutscht - jedenfalls blockierten keine Müllsäcke die Tür. Obwohl diese Tatsache sie bereits etwas erleichterte, wusste Thea, dass der Flur nur die Spitze des Eisberges war. In der Küche erwartete sie vielleicht eine böse Überraschung.
Aber dem war nicht so. Alles, was da war, erstrahlte in ungeahntem Glanz. Und alles Übrige hatten offensichtlich die Heinzelmännchen weggeräumt, sogar das Spülmittel.
Nein, nicht alles. Auf dem Tisch lag ein Zettel.
Liebe Thea, ich habe sie ans Aufräumen gekriegt. Hoffentlich war es drüben noch schön. Wie geht es den Welpen?
Thea entwickelte eine plötzliche Zuneigung zu Petal. Womit hatte sie ihre Mitbewohner wohl gezwungen, sich so ins Zeug zu legen? Das war Thea unerfindlich, dennoch empfand sie es als reinsten Segen - zumindest, bis sie vor der Notwendigkeit stand, irgendetwas wiederzufinden.
Der Kessel stand bei den Saucieren im Schrank, er hatte Theas detektivischen Spürsinn also noch nicht auf eine ernsthafte Probe gestellt. Thea füllte ihn mit Wasser.
In diesem Augenblick läutete das Telefon. Thea rutschte das Herz in die Hose. Sie hatte während der Fahrt von Irland viel über die Welpen nachgedacht. Lara war eine perfekte Mutter, aber der Kleine musste ihr außer der Reihe für Extramahlzeiten angelegt werden. Susan würde daran denken, wenn sie im Haus war, aber Rory vergaß es wahrscheinlich, obwohl Thea ihm ein Merkblatt zu Lara und den Welpen in die Küche gehängt hatte. Sie wollte sich jetzt keinen schlechten Nachrichten stellen.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. »Hier ist Molly. Ich habe mir eine ganze Reihe von Objekten für dich angesehen, aber sie waren alle hoffnungslos. Willst du die Sache übernehmen, wenn du
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