Sommernachtsgeflüster
klar. Viel besser, als wenn Sie bleiben und weiterhin auf mich herabblicken wie auf ein ungehorsames Schulmädchen.«
Sie beschloss, sich Ben auf jeden Fall abzugewöhnen. Es war einfach schlecht, einen Mann wie ihn zu lieben, wenn man auch nur rudimentäre Moralvorstellungen besaß. Sie hätte ihn fortführen lassen können, was er im Dreiviertelschlaf begonnen hatte. Viele gute Männer waren durch hinterhältigere Mittel eingefangen worden. Aber wenn er sie nicht wollte, solange er hellwach war und wusste, was er tat, sollte er sie gar nicht bekommen.
»Also gut, aber Sie müssen mir versprechen, dass sie vorsichtiger sein werden. Steigen Sie nicht mehr auf Leitern, wenn Sie hier allein sind. Sie hätten sich schwer verletzen können, ohne jede Möglichkeit, Hilfe zu holen.«
Sie hätte ihn am liebsten geschüttelt. Jetzt behandelte er sie wie die ungehorsame Bewohnerin eines Altersheims. Thea zauberte einen Ausdruck von Reue auf ihr Gesicht.
»Ja, Daddy.«
Tief in seinen Augen glomm ein Funke, den sie bisher nicht wahrgenommen hatte. Zu spät fiel ihr ein, dass er ebenfalls müde und möglicherweise enttäuscht war. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht zurückzuweichen und dabei vielleicht lang hinzuschlagen.
»Daddy!«, flüsterte er gefährlich ruhig. »Daddy, ja? Das sollen Sie sehen.«
Sein Kuss war angemessen mörderisch, hart, glühend und eindringlich. Thea schloss die Augen und ließ sich von ihm mitreißen, auch wenn seine Motivation nur Zorn war. Trotzdem war der Kuss extrem effektiv. Als er sich schließlich davon überzeugt hatte, dass es ihr Leid tat, ließ er von ihr ab.
»Hm, war das schön«, murmelte Thea törichterweise. Dann wich sie vorsichtshalber zurück; vielleicht wäre sie besser still gewesen oder wenigstens nicht so schnippisch.
Er starrte sie an, und sein Gesichtsausdruck verriet Zorn, aber auch Begehren und Leidenschaft. Sie wusste, dass er allein ihr die Schuld dafür gab, dass ihn solch primitive Gefühle überkamen.
Keiner von ihnen beiden wagte zu sprechen. Er warf ihr noch einen wütenden Blick zu und stürzte dann durch die Tür hinaus. Thea sah, wie er die Straße entlangging; ein Teil von ihr wünschte, sie hätte den Mut gehabt, ihn über die Grenzen seines zivilisierten Betragens hinauszutreiben. Sie schloss die Augen und stellte sich einen Augenblick lang vor, was dann geschehen wäre, bevor ihr klar wurde, dass ihr Beischlaf - oder wie immer man es hätte nennen sollen - gewissermaßen in einem Schaufenster stattgefunden hätte. Wenn Ben sie sich nicht über die Schulter geworfen und nach unten getragen hätte. Aber dort hätten ihnen Lara und ihre sechs Welpen Gesellschaft geleistet.
Ihrer enttäuschten Leidenschaft zum Trotz stahl sich ein widerwilliges Lächeln auf ihr Gesicht. »Na los, Thea. Entsorge die schmutzigen Zeitungen und sieh dann zu, dass du die Welpen allein nach oben bekommst.«
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Kapitel 15
Z wei Tage später rief Ben bei Thea an, so unbekümmert, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen: »Was macht Ihr Fuß?«
»Dem geht es gut. Ich konnte sogar selbst nach Hause fahren, und seither hat er weitere Fortschritte gemacht.«
»Gut. Ich rufe an, weil ich jetzt einige Tage lang bei Klienten sein werde und eine ganze Reihe von Kunstakademien auf meinem Weg liegen. Es wäre ganz gut, wenn Sie mitkämen und sich die Abschlussausstellungen der Absolventen anschauen würden, die bereits eröffnet sind. An vielen Akademien fangen sie ziemlich früh damit an.«
Wie konnten Männer das Leben nur so leicht in völlig getrennte Bereiche aufspalten. Was in der Galerie beinahe geschehen war, hatte er offensichtlich als »vorübergehende geistige Verirrung« abgehakt. Und in einer Schublade oben links abgelegt, neben »Kindermädchen« und »Gasrechnung«. Sich zusammen mit Thea die Ausstellungen der Absolventen anzusehen, fiel wahrscheinlich unter »Sozialarbeit«, in der untersten Reihe ganz in der Ecke rechts. Alles schön getrennt. Thea versuchte, bestimmt zu klingen. Sie wusste zwar nicht, ob sie diese Kunst beherrschte, hoffte aber, dass es fürs Telefon vorerst reichen würde. »Ich habe wirklich keine Zeit, im Land umherzuziehen und mir Bilder anzusehen. Ich muss wegen des Bodens im Untergeschoss noch etwas unternehmen und ...«
Er gab einen Laut von sich, der wie ein Kichern klang. »Sie können es sich nicht leisten, nicht mitzukommen. Schließlich werden Sie nicht noch einmal
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