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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Freundinnen.« Leonie nickt und alle sehen mich erwartungsvoll an.
    Die Frage überrascht mich. Plötzlich fragen sie mich, nicht umgekehrt. Plötzlich wollen sie was von mir. Dass ich ihre Entschuldigung annehme.
    »Wenn ihr mir versprecht, dass ihr mich nie wieder so hängen lasst.« Ich sehe ihnen fest in die Augen.
    »Versprochen!«, antworten sie im Chor. »Versprochen!«
    Sie haben es tatsächlich getan.
    »Gut«, sage ich und spüre, dass der Kloß weg ist. Rasch wische ich mir eine Träne von der Wange. »Freundinnen für immer.«
    Leonie klatscht in die Hände. »Super! Und jetzt hol den Eistee, Maya!«
    »Ich hätte nichts gegen ’ne Wasserpfeife…«, meint Vivian.
    Maya stöhnt. »Die ist kaputt! Ist der blöden Putze gestern runtergefallen! Mum bringt mir heute eine neue mit. Falls sie es nicht vergisst. Ich ruf sie am besten mal an. Bin gleich wieder da.«
    Leonie strahlt mich an und schiebt ihren Arm unter meinen Ellbogen. »Ich bin so froh, Ziska, dass alles vorbei ist! Jetzt wird es wieder wie früher.«
    Vivian grinst.
    Für einen kurzen Augenblick glaube ich das tatsächlich, doch dann weiß ich, dass das eine Illusion ist.
    »Nein«, sage ich, »wird es nicht. Es wird niemals wieder so wie früher. Maurice ist tot.«
    Vivians Grinsen verschwindet und Leonie nickt traurig.
    »Ja, du hast recht. Aber wir sind am Leben und das Leben geht weiter.«
    »Ja«, sagt Vivian, »wir leben weiter.« Sie greift über den Tisch nach meiner und nach Leonies Hand und wir halten uns so ein paar Sekunden, bis Maya kommt.
    »He, stör ich euch gerade bei ’ner spiritistischen Sitzung? Wackelt der Tisch schon?« Sie rollt die Augen. »Oder sprechen die Verstorbenen aus dem Jenseits mit euch?«
    »Wir haben an uns Lebende gedacht, Maya«, sagt Vivian ernst und lässt unsere Hände los. »Dass es weitergeht. Stimmt’s Ziska?«
    »Ja«, sage ich und Maya nickt verständnisvoll und stellt das Tablett auf den Tisch. Im Krug mit der goldgelben Flüssigkeit klirren Eiswürfel.
    »Du hast genug gelitten«, sagt Vivian und sieht mich an.
    »Dann denken wir jetzt an Maurice«, sage ich und alle nicken. Ich muss mich zusammennehmen, um nicht zu heulen.
    »So, jetzt gibt’s erst mal Spezial-Eistee für alle«, sagt Maya schließlich grinsend und füllt für jeden von uns ein Glas.
    Spezial-Eistee war Eistee mit Tequila oder Wodka. Den hatten wir auch letztes Jahr getrunken. Als wir uns bei Maya trafen, bevor uns ihr Bruder auf die Party fuhr.
    Nach dem ersten Glas sagt Leonie: »Ziska hat einen Drohbrief gekriegt. Er war in unserer Post.«
    »Echt?« Maya und Vivian sehen mich aus großen Augen an.
    Leonie nickt. »Fahr heim, sonst passiert etwas Schreckliches. Oder so ähnlich, nicht wahr, Ziska?«
    »Verdirb uns doch nicht die Stimmung«, sage ich zu Leonie und ärgere mich, dass sie mich wieder an die Tatsachen erinnert.
    »Etwas Schreckliches!« Maya verzieht das Gesicht. »Und was soll das sein?«
    Leonie zuckt die Schultern. »Das ist es ja gerade. Ich glaube, Ziska soll Angst gemacht werden.«
    »Und wenn es derjenige ernst meint?«, wirft Maya ein.
    »Moment«, sagt Leonie. »Wir halten doch zusammen.« Sie sieht in die Runde.
    Maya nickt und Vivian hebt mit feierlicher Geste das Glas: »Alle für eine und eine für alle!«
    Ein warmes Gefühl durchflutet mich. »Danke«, bringe ich heraus und nippe hastig an meinem Eistee. Schon wieder brennen Tränen in meinen Augen. Diese ganze Situation überfordert mich irgendwie, dieses Wechselbad der Gefühle, die ganzen Erinnerungen…
    »Aber«, meint Maya besorgt, »man sollte so eine Drohung nicht einfach ignorieren. Schließlich ist ja schon – äh – genug passiert.«
    Maya hat recht. Es ist genug passiert. Maurice ist tot.
    »Ich bin sicher, dass Claude hinter den Briefen steckt«, sagt Leonie. »Dummerweise habe ich letzte Woche unten im Laden bei Pichlers Denise getroffen. Sie hat mich gefragt, ob ich wüsste, wie es Franziska geht. Und da habe ich ihr erzählt, dass Ziska mich besuchen kommt. Und als ich mich umgedreht habe, stand Claude direkt hinter mir in der Kassenschlange«, erzählt sie und wirft mir einen entschuldigenden Blick zu.
    »Scheiße!«, sagt Maya und räuspert sich. Dann nimmt sie einen großen Schluck Eistee. »Na ja, man kann ihn ja ein bisschen verstehen«, meint sie schließlich leise und vermeidet es, mich anzusehen.
    »War ja immerhin sein Bruder«, sagt Vivian und zerquetscht eine Mücke auf Leonies Arm. »Die wollte gerade stechen!«,

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