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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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rausgegangen. Ja… ich hab gedacht, er müsste mal… wie lang war er weg? Lang genug für ein paar Sätze mit seinem Bruder? Dann kam er wieder rein und küsste mich. Schließlich bückte ich mich nach dem Ruder, weil wir ja mit dem Boot fahren wollten – und dann… dann kam Claude rein und hat seinen Bruder erschlagen. Und ich flog an die Wand eines anderen Bootes und hatte einen Blackout. Als ich wieder zu mir kam, war Claude weg, ich hatte das Ruder in der Hand und Maurice war tot.
    Ist es so gewesen?
    Mit einem leise schmatzenden Geräusch schwappt das Wasser gegen zwei grün-weiß gestrichene Ruderboote, die vor uns im Wasser liegen. Mein Blick fällt auf die Ruder und ich zucke zusammen. Leonie hat es bemerkt, sagt aber nichts.
    Die Polizei hat das Ruder, das ich damals in der Hand gehalten habe, nach Fingerabdrücken untersucht. Man hat unzählige gefunden, von Leuten aus dem Verein, von unserer Schule, manchmal wurden die Boote auch an Touristen vermietet – also keine Chance, darüber den Täter identifizieren zu können.
    Ich gehe über den knarrenden Holzboden zum hinteren Ende des Bootshauses. »Der Mond hat auf dem Wasser geglitzert, ist wie silberne Scheibchen da auf den kleinen Wellen geschwommen.« Ich habe die Augen geschlossen und sehe es vor mir. Ganz leise höre ich Musik und Lachen von der Wiese heranwehen. Ich mache die Augen auf. Leonie steht noch immer da an der Tür. »Ich habe mich gebückt und das Ruder aufgehoben und seitlich war da plötzlich ein Lichtreflex.«
    Leonie stöhnt. »Ziska, es gab aber kein Gewitter… und auch kein Feuerwerk.«
    »Ja«, seufze ich. »Ich weiß.«
    »He, es war wahrscheinlich eine Taschenlampe. Maurice hatte ganz bestimmt eine Taschenlampe dabei. Erinnerst du dich nicht? Beim Konzert hatten sie alle Feuerzeuge angezündet. Manche hatten aber auch Taschenlampen.«
    »Ja«, sage ich enttäuscht. Was habe ich erwartet? Dass mir plötzlich einfällt, wie Claude mit der Taschenlampe reinkam und Maurice das Ruder über den Schädel schlug?
    »Was ist, sollen wir langsam gehen?«, fragt Leonie und schlingt fröstelnd die Arme um sich. »Ist nicht gerade besonders gemütlich hier.«
    »Ja, gehen wir«, seufze ich und gehe zum Ausgang. Warme, frische Luft strömt durch die geöffnete Tür herein. Ich bleibe vor der Schwelle stehen und drehe mich zu Leonie.
    »Was?«, fragt sie.
    »Ich hatte eine Verletzung am Kopf.« Als spürte ich sie immer noch, greife ich mir an die Schläfe. Die Kopfschmerzen sind zu einem dumpfen Pochen geworden. »Ich bin an ein Boot geknallt. Wahrscheinlich hatten wir einen Kampf, hat die Polizei gesagt, eine Auseinandersetzung.« Ich rede wie im Fieberwahn. »Wenn ich nur wüsste, warum. Wenn ich doch nur wüsste, was genau passiert ist, nachdem Maurice wieder zurück ins Bootshaus gekommen ist. Ich kann mich verdammt noch mal einfach nicht mehr erinnern!« Meine Stimme ist schrill geworden und ich halte einen Moment inne. »Und wenn es doch Claude war?«, flüstere ich leise und höre, wie verzweifelt ich klinge.
    Leonie bläst sich eine Strähne aus der Stirn. »So was wie Kain und Abel in der Bibel?«, sagt sie und mir entgeht nicht die Ironie in ihrer Stimme.
    Kain hat seinen Bruder erschlagen, weil Gott die Opfer von Abel denen von Kain vorzog, fällt mir ein.
    »Ja… Eifersucht und Neid als Motiv.«
    Leonie mustert mich. »Warum hörst du nicht auf damit, Ziska. Claude hat ein Alibi. Ein ziemlich lupenreines. Ziska…« Kopfschüttelnd betrachtet sie mich, als sei ich jetzt wirklich völlig durchgeknallt. »Tu dir endlich einen Gefallen… und sieh nach vorn, nicht zurück!«
    Ich merke, wie Leonie allmählich die Geduld mit mir verliert. Frustriert sehe ich nach draußen, wo die Sonne scheint. »Ich weiß nicht, ich bin…«, ich muss schlucken, »… so…«
    »Verzweifelt?«
    »Ja.« Alles erscheint mir so sinnlos. Maurice ist tot und er wird nie wieder lebendig. Wir werden nie wieder über eine Wiese schlendern, ich werde nie wieder seine weiche Haut spüren und ihn nie wieder küssen. Ich werde nie wieder glücklich sein.
    Leonie legt den Arm um mich und wir gehen über die Schwelle nach draußen. Die Wärme tut gut. Ich sehe nicht mehr zurück zum Bootshaus. Schweigend gehen wir zum Auto.
    Plötzlich bleibt sie stehen. »Ziska, ich muss dir was sagen.«
    »Was?« Was kommt jetzt? Kann mich noch irgendetwas erschüttern?
    Ihr Blick wird skeptisch. »Sag mal, du erinnerst dich wirklich nicht an die Postkarte von Maurice,

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