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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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meinem Mund an und gebe Leonie die Karte zurück. Meine Hand zittert.
    »Ich hab dir die Karte auf der Sommerparty gezeigt. Gleich nach dem Konzert. Mensch, du hast nur noch ihn angehimmelt!« Leonie zuckt die Schultern. »Ich konnte nicht anders. Ich fand das so gemein von ihm. Ich hab ihn abblitzen lassen, hab ihm gesagt, was für eine fiese Tour das mit der Postkarte ist, und dann hat er sich an dich geklebt.«
    Alles in mir weigert sich, das zu glauben. »Nein, Leonie, das kann nicht sein. Maurice war nicht so.«
    »Du kanntest ihn doch gar nicht richtig! Ziska! Glaub mir, Maurice war nicht der, für den du ihn gehalten hast. Er hat sich schon immer einfach genommen, was er haben wollte. Und wenn er dann keinen Bock mehr hatte, hat er einen einfach links liegen lassen.«
    Ich registriere die Wut in Leonies Stimme. Scheinbar hat es damals ziemlich an ihrem Stolz gekratzt, als Maurice mit ihr Schluss gemacht hat. Nein, es war bestimmt nicht die Wahrheit, das war nur ihre verletzte Eitelkeit! »Nein«, spreche ich meine Gedanken laut aus, »das glaube ich dir nicht! Maurice kann sich nicht so verstellt haben!«
    »Mensch, Ziska! Du hast doch gesagt, dass du wissen willst, warum du es getan hast. Hier ist der Grund!« Sie tippt mit dem Finger auf die Postkarte in meiner Hand. »Hast du nicht erzählt, dass dein Gehirn den schlimmsten Moment einfach gelöscht hat? Das war so ein schlimmer Moment! Du hast dich betrogen gefühlt! Du warst total wütend!«
    »Nein! Du willst mir was einreden! Ich erinnere mich ganz genau an die Minuten nach dem Konzert…«, sprudelt es aus mir heraus und ich frage mich, warum sich in mir leise Zweifel breitmachen.
    »Will ich nicht! Ich will dir helfen, die Wahrheit zu finden, kapier das doch endlich!«
    Leonie ist laut geworden und ich zucke zusammen. Noch einmal drehe ich die Postkarte um und starre auf den Text, dann wieder auf das Datum. Ich verstehe gar nichts mehr.
    Leonie hat Tränen in den Augen.
    »Ziska, ich verstehe dich ja. Es ist so verletzend, belogen zu werden.« Ihre Hand legt sich auf meinen Arm. »Es tut mir so leid für dich«, sagt sie leise.
    Ich will es nicht glauben, will es nicht sehen, aber wie ein Puzzlestück, das man tagelang verzweifelt gesucht hat, fügt sich ein Detail zum andern. Und plötzlich habe ich das ganze hässliche Bild vor mir.
    »Aber warum hast du mich nicht an die Postkarte erinnert, als ich festgenommen wurde?«, will ich wissen.
    »Ziska! Erstens wusste ich nicht, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst, und zweitens wollte ich dich nicht belasten. Stell dir doch mal vor: Du hättest ein astreines Motiv gehabt!«
    Ich nicke benommen. Klar. Mord aus Eifersucht. Kommissar Winter wäre zufrieden gewesen.
    »Es tut mir so leid«, sagt Leonie leise. »Ziska… ich, ich fühle mich auch schuldig. Ich hätte dir die Postkarte damals nicht zeigen dürfen!«
    Die Seele schützt sich, indem sie vergisst. Ich wollte mir die Liebe von Maurice bewahren.
    Irgendwie bin ich froh, dass sie nichts mehr sagt, sondern mich einfach nur in die Arme nimmt.
    Manche Entscheidungen brauchen ewig, manche fällt man in Sekunden.
    »Ich reise ab, Leonie«, sage ich. »Gleich morgen.«
    Leonie reißt überrascht die Augen auf. »Bist du sicher? Willst du denn nicht zur Sommerparty bleiben? Ziska, du solltest darüber hinwegkommen! Wir sollten darüber hinwegkommen! Nach vorne blicken! Du bist siebzehn, Mensch, du solltest das Leben genießen!« Sie sieht mich aufmunternd an.
    Ich seufze nur. Das Karussell in meinem Kopf ist stehen geblieben. Auf einmal macht alles Sinn. Auf einmal gibt es einen Grund, weshalb ich es getan habe. Es ist seltsam, aber ich fühle so etwas wie Erleichterung.
    »Weißt du, was ich jetzt damit mache?« Immer noch hält sie die Postkarte in der Hand.
    »Du gehst zur Polizei…«, sage ich emotionslos.
    »Ziska, so ein Quatsch!« Mit einer langsamen Bewegung zerreißt sie die Karte. Erst einmal in der Mitte, dann noch mal und noch mal. Die bunten Schnipsel fallen auf den Teppichboden neben die Harry-Potter-Bücher.
    Sie lächelt mich an, verschließt das Kästchen wieder, schiebt es an seinen Platz und stellt die Bücher davor. Zuletzt lässt sie die Kette mit dem Schlüssel in ihrem Ausschnitt verschwinden und sieht mich triumphierend an.
    »So, Ziska, die Polizei kann dir nichts anhaben. Glaub mir! Wir können neu anfangen. Es wird alles gut.«
    Mein Blick fällt auf die Schnipsel. Ich habe mir etwas vorgemacht. Maurice hat mich nicht

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