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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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meinen Mund verlassen. »Wenn Sie ich wären, würden Sie sich doch sicherlich auch fragen, weshalb man eigentlich nie die Joints untersucht hat, die am Bootshaus gefunden wurden!«
    Seine Miene bleibt unbewegt, doch ich glaube, ein Zucken seines rechten Augenlids wahrgenommen zu haben. Ich setze alles auf eine Karte. »Was ist, wenn die Joints am Bootshaus von Claude waren, der auf seinen Bruder gewartet hat?«
    »Wovon redest du, Mädchen?« Man kann spüren, dass er nur so lässig tut. Sein Gesicht wirkt gerade alles andere als entspannt.
    »Von Claudes Drogenkonsum und seiner Affäre im Bauamt«, sage ich und habe Mühe, mir den Triumph in meiner Stimme nicht anmerken zu lassen.
    Winter ist still. Seine Lippen sind zwei aufeinanderliegende, dünne Linien, seine Augen zwei schmale Schlitze. Alle Zeichen stehen auf Angriff. Doch ich habe nichts mehr zu verlieren, mache selbstbewusst einen Schritt auf das Auto zu. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter voneinander.
    »Pass auf, Franziska«, seine Stimme klingt jetzt, als würde rostiges Metall aneinanderreiben. »Versteh es als gut gemeinten Rat: Wenn du hierbleibst und deine boshaften Beschuldigungen weiter rumposaunst, kriegst du es garantiert mit den Schneidbrenners zu tun. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern begeistert darüber wären, auf Hundertausende von Euro wegen übler Nachrede verklagt zu werden.«
    Ich schlucke. Es ist so gemein… Diese Leute sitzen immer am längeren Hebel. Wieso habe ich mich nur zu dieser Bemerkung hinreißen lassen? Meine Wut auf Winter wendet sich plötzlich gegen mich selbst.
    »Also, verschwinde von hier.« Er macht eine lässige Handbewegung. »Ach, und übrigens: Es gibt keine neuen Beweise gegen dich.«
    »Was?«, bringe ich hervor und ärgere mich sofort, dass ich ihm zeige, wie überrascht ich bin. »Sie ermitteln nicht weiter, um mich zu… zu überführen?«
    Ist das ein Grinsen, das da gerade über sein Gesicht gezogen ist?
    »Du hast genug gebüßt, oder?«
    Ich bin sprachlos.
    »Aber falls du hier auf eigene Faust was durchziehst… kann ich für nichts garantieren.« Er nickt mir ernst zu.
    Meine Handflächen sind feucht.
    »Beschatten Sie mich?«, frage ich. Bedrohen Sie mich, hätte ich fragen – nein, ich hätte meinen Mund halten sollen.
    Winter schnaubt durch seine Raubvogelnase. »Wieso, sollten wir?«
    »Ich muss gehen«, sage ich. Dabei habe ich keinen blassen Schimmer, wohin. Nur weg. Weg von diesem Winter und seinen hinterhältigen Fangfragen.
    »Der Zug nach Köln fährt in ’ner halben Stunde.« Er macht eine Kopfbewegung zur Hintertür. »Steig ein, wir bringen dich nach Prien. Ist billiger als ein Taxi.«
    Los, mach schon! , drängt mich wieder diese Stimme. Fahr heim, versuch, zu vergessen und ein neues Leben anzufangen! Schon ist meine Hand am Türgriff. Doch da ist etwas, das mir nicht aus dem Kopf geht. »Warum haben Sie die Joints nicht untersucht?« Gott, was tue ich hier eigentlich?
    Winters Ausdruck verdüstert sich. »Sag du mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe. Weißt du, wie viel Müll da rumlag? Und woher hast du das eigentlich?«
    Es stimmt also, das mit den Joints.
    »Ich kriege anonyme Drohbriefe, in denen steht, dass ich abreisen soll«, sage ich, anstatt zu antworten. Benjamin werde ich bestimmt nicht mit reinziehen.
    Er runzelt die Stirn. »Drohbriefe? Warum bist du damit nicht zu mir gekommen?«
    »Das gibt’s doch nicht!«, sagt jemand in dem Moment.
    Ich drehe mich um. Leonie und Vivian kommen die Straße herunter. Stimmt, sie wissen ja nicht, dass ich wieder zurückgekommen bin.
    »He, überzeugt mal eure Freundin, dass sie heimfahren soll!«, ruft er ihnen zu. »Und du«, wendet er sich leiser an mich, »denk an deine Eltern. Du hast ihnen schon genug Sorgen gemacht. Der übernächste Zug geht zwei Stunden später.«
    Der Wagen beschleunigt und ist im nächsten Moment an der Straßenkreuzung hinter dem Modehaus Radler verschwunden.
    »He, Ziska!«, ruft Leonie völlig überrascht.
    »Hat Winter dich wieder zurückgebracht?«, fragt Vivian.

22
    Sofort überfällt mich ein Schuldgefühl. Sie sind meine Freundinnen und ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich zurückgekommen bin.
    »Nein. Es ist alles ziemlich kompliziert. Ich… bin gar nicht in den Zug gestiegen.«
    Beide sehen mich fragend an. Ich weiß nicht, was und wie ich es ihnen erklären soll. »Claude…«, fange ich an.
    Vivian legt die Stirn in Falten.
    »Na ja, ich hab das Gefühl, dass ich

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