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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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weil es dort alle Biersorten gab, die man sich vorstellen konnte. Jetzt prangen über dem Eingang Neonröhren, ein schnörkelloser Schriftzug zeigt den Namen der Bar und über der Tür hängt ein buntes Schild, auf dem ein Cocktailglas abgebildet ist.
    Mir ist, als würde gerade jemand seine Faust in meinen Magen rammen: Das Schild zeigt auf schwarzem Hintergrund ein Martiniglas mit roter Flüssigkeit und einer halben Zitronenscheibe auf dem Glasrand. Das ist… das ist definitiv das Motiv von der Postkarte, die Maurice Leonie geschickt hat . Ich freue mich auf die Nacht mit dir. Maurice
    »Zufälle gibt’s!«
    Die raue Stimme erkenne ich sofort, sie lässt mich herumfahren und ich blicke direkt in das sonnengebräunte Gesicht von Kommissar Winter. Er sitzt auf der Beifahrerseite in einem dunkelblauen Passat, hat die Scheibe heruntergelassen. Das silbrig graue Haar ist akkurat gescheitelt. Das weiße Hemd steht lässig offen. Aber er ist nicht lässig. Kommissar Winters Gesicht ist wie eine unbewegliche, Angst einflößende Maske. Die tiefen Falten, die von seinen Nasenflügeln bis zum Kinn reichen, und die gebogene Nase geben ihm etwas von einem Raubvogel. So habe ich ihn auch immer empfunden: Wachsam und lauernd, um im geeigneten Moment auf seine Beute herunterzustoßen.
    Ich erwidere nichts. Ich habe gelernt, bei der Polizei nur zu sprechen, wenn ich gefragt werde, und auf keinen Fall zu viel zu erzählen, denn alles kann gegen dich verwendet werden. Jedes Wort können sie dir im Mund herumdrehen.
    Einen Moment lang überlege ich weiterzugehen, aber dann bleibe ich doch stehen. Den Fahrer sehe ich nicht.
    Winter legt seinen gebräunten, haarigen Unterarm auf den Türrahmen. An seinem Handgelenk glänzt eine fette goldene Uhr in der Sonne.
    »Mit dir hätte ich ja hier nicht gerechnet. Besuchst du alte Freunde?«, fragt Winter und zieht dabei seine Augen zu Schlitzen zusammen. Ohne auf meine Antwort zu warten, redet er weiter: »Ich nehme an, du bist hier mit offenen Armen empfangen worden?« Ein widerliches Grinsen erscheint auf seinen Lippen. »Ganz schön mutig von dir, ausgerechnet heute hier aufzutauchen. Respekt, so viel Mumm hätte ich dir gar nicht zugetraut.« Seine Stimme trieft vor Ironie.
    Er ist noch genauso gemein und verletzend wie vergangenes Jahr. Klar, das ist wahrscheinlich bisher der einzige ungelöste Fall in seiner Karriere. Aber so viel kann ihm dann doch nicht daran gelegen haben, ihn zu lösen, denke ich und erinnere mich an das, was Benjamin erzählt hat. Die Joints, die nicht untersucht worden waren.
    Ich schaue in Winters spöttisches Gesicht und merke, wie meine Wut auf ihn wieder hochkommt.
    »Na, sehr gesprächig bist du ja nicht gerade.« Seine Mund- und Augenwinkel zucken. »Warst du noch nie.«
    Wieder antworte ich nichts. So hat es Katie bei der Polizei gemacht, hat sie einmal erzählt, als sie ausnahmsweise mal eine redselige Stunde hatte. Irgendwann geben sie auf. Irgendwann wird auch Winter aufgeben. Er hat ja nichts gegen mich in der Hand – außer dass er endlich gerne jemanden hinter Gittern sehen würde; und das bin natürlich ich.
    Er hebt seine Nase in den Himmel, als habe er irgendeinen Duft wahrgenommen. »Heute feiern sie wieder. Wie letztes Jahr. Und, gehst du hin?«
    »Vielleicht«, weiche ich aus.
    »Das muss aber ziemlich schlechte Erinnerungen wecken, oder?«
    Er hat schon immer das Talent gehabt, den Finger in die Wunde zu legen. Langsam gehe ich weiter. Das Auto bleibt auf meiner Höhe.
    »Pass auf, Franziska, du kannst froh sein, dass deine Freundinnen so zu dir halten. An deiner Stelle würde ich ihre Freundschaft nicht so überstrapazieren.«
    Was will er eigentlich gerade erreichen? Dass ich hier ausraste? Dass ich endlich nachgebe und ein Geständnis abliefere? Ihm wäre wahrscheinlich jedes Mittel recht, um mich festzunehmen.
    »Was ich sagen will, Franziska: Pack deine Sachen, verschwinde von hier und lass dich nie wieder blicken!«
    Jetzt bleibe ich stehen. Meine Wut droht gleich überzubrodeln, macht mich wieder lebendig und wach. Provozierend sehe ich ihm in die Augen. »Und wenn ich es nicht war?«, frage ich ihn und meine Stimme ist dabei bedrohlich leise.
    Der Satz irritiert ihn für ein paar Augenblicke. Er bedeutet dem Fahrer anzuhalten, dann beugt er sich noch ein Stück weiter aus dem Autofenster. »Du willst es also immer noch nicht wahrhaben? Wenn ich du wäre…«
    Etwas in mir explodiert. Ich habe keine Kontrolle mehr über die Worte, die

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