Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
was – außer…«
    »Außer was?«, sage ich viel zu laut.
    »Psst.« Er sieht sich rasch um. »Ich weiß nicht«, sagt er leise, »außer, ich kann ihn davon überzeugen, dass seine Aussage ihn selbst nicht belastet…vielleicht kann man das ein bisschen unbürokratisch regeln. Wenn der Polizei was an der Wahrheit liegt, sind sie auch bereit, Deals zu machen.«
    Winter bestimmt nicht, denke ich.
    Eine Weile brauche ich, bis ich all das, was er gerade gesagt hat, richtig einsortiert habe. »Du willst also behaupten…«
    »Nein«, fällt er mir ins Wort, »ich behaupte gar nichts. Ich halte es für möglich.«
    Ich versuche, so zu wirken, als würde es mich nur so aus Spaß interessieren. »Okay, du hältst es also für möglich, dass Claude in jener Nacht zum Bootshaus gegangen ist, dort ein paar Joints durchgezogen und auf seinen Bruder gewartet hat, um ihn zur Rede zu stellen. Als der dann kam, ist Claude rein und… ja… und?« Erst jetzt, als meine Hände in der Luft innehalten, merke ich, dass ich aufgeregt rumgefuchtelt habe.
    Benjamin redet mit gesenkter Stimme weiter: »Claude hat Maurice mit dieser Franziska ins Bootshaus gehen sehen, dann hat er seinen Joint weggeworfen und ist reingegangen. Er war wütend auf seinen Bruder, weil der sich nicht bei den Eltern für ihn eingesetzt hat. Weil Maurice der Nutznießer ist, weil er vielleicht schon immer der Lieblingssohn war. Jetzt war es einfach genug! Claude wollte Maurice die Tour mit dem Mädchen vermasseln, ihn ordentlich vermöbeln, wie das manche Typen so machen. Er war bekifft; wütend und jähzornig ist er scheinbar sowieso.« Benjamins Augen funkeln und er hält kurz inne, um an seinem Kaffee zu nippen.
    Ich kann ihn nur stumm anstarren und habe Angst, dass er meinen lauten Herzschlag hört. Er schaut kurz aus dem Fenster auf den Marktplatz und ich würde ihn am liebsten anschreien: Weiter, red weiter!
    »Also«, fährt Benjamin endlich fort. »Als Erstes hat er das Mädchen ausgeschaltet, sie ist an die Bootswand geschlagen und dort liegen geblieben. Dann hat er seinen Bruder erledigt. Eigentlich wollte er sich nur mit ihm prügeln, aber er hat Maurice gleich richtig erwischt. Als er kapiert hat, dass sein Bruder tot ist, hat er dem Mädchen das Ruder in die Hand gedrückt und ist abgehauen. Sie ist aufgewacht und war überzeugt, dass sie es getan hat.«
    Meine Kehle ist zugeschnürt und zugleich rebelliert mein Magen.
    »Na?« Erwartungsvoll sieht er mich an.
    Ich räuspere mich, doch meine Kehle fühlt sich leider noch genauso eng an. »Du hast eins vergessen«, presse ich mit heiserer Stimme hervor.
    »Was?«
    »Warum kann sich… diese Franziska nicht erinnern, dass Claude ins Bootshaus gekommen ist?«
    »Schock, Paula! Der Schock hat die Bilder gelöscht. Sie kann, sie will sich nicht erinnern!«
    Ich zucke die Schultern, was mir noch nie so schwergefallen ist.
    »Aber das ist doch jetzt schon ein Jahr her, langsam müsste sie doch wieder…«
    Er schüttelt heftig den Kopf. »Nein… sie ist überzeugt, dass sie es war. Sie hat Claude wahrscheinlich nicht kommen sehen. Überleg doch mal, es war Nacht. In diesem Bootshaus war es bestimmt stockfinster. Das Mädchen hatte wahrscheinlich was getrunken, vielleicht auch was eingeworfen und… und ja, sie war verliebt! Und dann ging alles so schnell. Tja… und dann die Leute.«
    »Was meinst du damit?«
    »Paula! Alle waren von Anfang an überzeugt, dass diese Franziska schuld war. Die haben das in ihr zementiert. Wahrscheinlich hat es keiner für möglich gehalten, dass es auch anders gewesen sein könnte.«
    »Ein Unfall hätte es auch sein können…« Meine Stimme zittert.
    »Ach!« Er macht eine wegwerfende Handbewegung. »Selbst wenn sie es für sich als Unfall ansehen kann – sie hat trotzdem Schuld, verstehst du? Wenn ich ein Kind überfahre und es nicht wollte, fühle ich mich trotzdem schuldig, verstehst du?«
    Ja, klar, besser als du denkst. Ich muss sofort hier raus, denke ich wieder, doch diesmal stehe ich wirklich auf.
    Erstaunt sieht er zu mir auf.
    »Tut mir leid, ich muss jetzt los.« Ein Grund fällt mir nicht ein, ich fummle in meiner Umhängetasche nach meinem Geldbeutel. Wenn meine Hand doch nicht so zittern würde.
    »Nein, lass, du bist eingeladen«, sagt er und ich überlege einen Moment, ob ich es annehmen soll. Doch dann sage ich artig Danke.
    »Paula?«
    Eine Sekunde vergeht, bis ich mich angesprochen fühle.
    »Ja?«
    Er hält eine Visitenkarte zwischen Zeige- und

Weitere Kostenlose Bücher