Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
kommt. Er stellt den Tee auf dem Esstisch ab und geht zurück in die Küche, um Gläser zu holen.
    »Jetzt, Franziska, hättest du die Chance, über deinen Fall zu sprechen und…«, versucht sie es wieder.
    »Ich will mich erinnern, das ist das Einzige!«
    Sie verstummt, nickt dann und sieht mich mit ihren großen Augen verständnisvoll und bemitleidend zugleich an. »Und?«
    Ich seufze, ich kann meine Verzweiflung nicht verbergen. »Franziska, ich verstehe, dass es sehr, sehr schwer ist für dich, deine Tat zu akzeptieren. Aber«, sie schüttelt den Kopf, »glaub mir, es ist deine einzige Chance, einen neuen Anfang zu machen. Du quälst dich sonst dein ganzes Leben.« Sie sieht zur Küchentür, wo ihr Mann gerade im Türrahmen steht und uns gedankenverloren anstarrt. »Nicht wahr, Olaf?«
    Er nickt.
    »Allerdings«, redet sie weiter, »ich verstehe, dass du dich an jede Sekunde erinnern willst. Und solange du das nicht kannst, tja, so lange kannst du auch nicht glauben, dass du es warst – oder nicht warst.«
    Ich nicke. Ja, ganz genau so ist es.
    Olaf Ritter zuckt die Schultern und verschwindet wieder in der Küche. Irgendwie scheint er mir aus dem Weg gehen zu wollen. Gedankenverloren lässt Susanne Ritter die bunten Holzperlen ihrer Kette durch die Finger gleiten und schließt für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnet, sagt sie: »Es war eine furchtbare Nacht. Ich erinnere mich, als Olaf ganz aufgelöst anrief. Ich war erst von einer späten Sitzung nach Hause gekommen. ›Es gibt einen Toten auf der Party‹, hat er gesagt, ›und ich bin Zeuge!‹« Sie seufzt. »Es war ein Schock – nicht nur für meinen Mann, sondern für uns beide.« Ihr Blick wandert in die Ferne, dann tupft sie sich über die Augenwinkel.
    Als ob es für sie schlimmer war als für mich!, denke ich und fange an, mich darüber zu ärgern, hierhergekommen zu sein. Aber ich bin selbst schuld, ja, Vivian hat mich gewarnt.
    Olaf Ritter kommt mit hohen Gläsern und bunten Strohhalmen zu uns. Seine Frau sucht seinen Blick, doch Olaf ist mit dem Eingießen des Tees beschäftigt. Die Eiswürfel klirren laut, als sie in die Gläser fallen. Anschließend steckt er die Strohhalme in den Tee. Wie auf einem Kindergeburtstag, denke ich. Nur dass die Stimmung gerade alles andere als ausgelassen ist.
    Susanne Ritter seufzt bedauernd. »Tja, schade, dass wir dir nicht helfen konnten. Und du willst wirklich nicht zur Sitzung kommen?«
    Mein Nein kommt entschieden. »Aber eine Frage hätte ich noch.« Mein Hals zieht sich wieder zusammen und mein Magen fühlt sich an wie ein schwerer grauer Stein. Hastig nehme ich einen großen Schluck Eistee.
    Olaf Ritter hat sich auf die Kante des Sessels gesetzt. »Ja?«
    Ich stelle das Glas auf den Tisch zurück und hole Luft. »Warum sind Sie überhaupt ins Bootshaus gegangen?«
    »Warum?«, fragt er erstaunt. Sein Mund zuckt kurz. »Aber das hab ich doch der Polizei gesagt: Ich habe Schreie gehört.«
    »Von Maurice?«
    »Ich weiß nicht, von wem.«
    »Aber das Bootshaus ist doch ein ganzes Stück weg von der Wiese, auf der die Bühne…«
    »Was willst du damit sagen, Franziska?«, schaltet sich Susanne Ritter ein. Beide sehen mich an, als hätte ich gerade etwas Unanständiges und Unhöfliches getan. Schweiß tritt mir auf die Stirn.
    »Ich…«, schon fange ich an zu stammeln. Mensch, Franziska, nimm dich zusammen! »Na ja, ich wollte eigentlich nur wissen, was… äh… warum Sie in der Nähe waren. Vielleicht haben Sie ja noch jemanden gesehen?«
    Sein Gesicht wird ganz starr, jetzt sieht es so aus, wie es mir nachts im Gefängnis erschienen ist.
    »Ich meine, jemanden, der am Bootshaus stand?«
    Er öffnet den Mund, doch da kommt ihm seine Frau zuvor. »Worauf willst du hinaus, Franziska?«
    Bevor ich antworten kann, sagt Ritter: »Ich war in der Nähe, weil ich nach Hause gehen wollte.«
    »Verstehe.« Und dann kann ich mich nicht zurückhalten, egal, welche Konsequenzen es auch haben mag. »Haben Sie dort in der Nähe vielleicht einen Mann oder… oder Nadia gesehen?«
    Haben eben seine Augen geflackert?
    »Nadia?«, fragt er erstaunt. »Welche Nadia? Und wen meinst du mit Mann?«
    »Nadia Anders. Leonies Schwester.«
    »Ja, ja, klar!«, sagt er rasch und setzt ein Lächeln auf. »Aber wieso soll ich sie dort gesehen haben? Sie ist doch letztes Jahr noch gar nicht in der Zehnten gewesen, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Sie war wohl trotzdem auf der Party.«
    »Tja, wie so viele, was?«, spaßt

Weitere Kostenlose Bücher