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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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er auf einmal.
    »Sie haben sie also nicht da am Bootshaus gesehen?«
    Er hebt erstaunt die Augenbrauen und schüttelt den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Aber sie kann ja auch auf der anderen Seite des Schuppens gewesen sein, keine Ahnung… und welchen Mann meinst du, Franziska?«
    »Den Bruder von Maurice – Claude, Claude Schneidbrenner.«
    Er runzelt nachdenklich die Stirn, schüttelt wieder den Kopf. »Tut mir leid, den kenne ich nicht.«
    Susanne Ritters Augen werden schmal, als sie mich ansieht. »Was willst du eigentlich wissen, Franziska? Was soll die ganze Fragerei?«
    Ich schlucke. Was soll ich ihr sagen? Dass ich verzweifelt versuche, die einzige Wahrheit zu finden?
    »Weißt du«, redet sie weiter und ihr Ton ist gar nicht mehr so mitfühlend wie am Anfang, »Olaf, mein Mann, war in den Wochen nach der Tat ziemlich durch den Wind und ich finde es nicht gut, das Ganze jetzt wieder aufzuwühlen.«
    Es fehlt nur noch: Und jetzt verschwinde, Franziska!
    Da fällt mir Katie aus meiner Zelle ein. Sie war immer cool, selbst wenn sie furchtbar gereizt war. Das hat mich total beeindruckt, weil sie so nicht zugelassen hat, dass andere die Kontrolle über sie übernehmen. Ich versuche also, meinen Ärger hinunterzuschlucken, und bringe sogar ein schwaches, vermittelndes Lächeln zustande. »Tja, wie Sie schon selbst gesagt haben, Frau Ritter, ich will mich an jedes Detail erinnern können.«
    Susanne Ritter hat Pausbacken, stelle ich fest, wahrscheinlich weil sie die Luft anhält, vor Wut, Ärger – oder ich weiß nicht, was.
    Olaf Ritters Gesicht wirkt auf einmal noch kalkiger. Und sein Kinn erinnert mich an ein scharfes Hackmesser. Nein, sie passen wirklich nicht zusammen.
    Susanne Ritter setzt plötzlich ein Lächeln auf. »Ja, schade, dass wir dir nicht weiterhelfen konnten, Franziska.«
    Sie will mich hinauswerfen. Ich gehe von selbst.
    »Ja«, sage ich und stehe auf. »Danke für Ihre Hilfe – und für den leckeren Eistee – in der Hitze genau das Richtige.« Das war cool, Franziska!
    Ich ernte einen merkwürdigen Blick von Susanne Ritter, dann nickt sie mir kurz zu und verschwindet in der Küche.
    Olaf Ritter begleitet mich zur Tür. Als er die Hand zur Klinke ausstreckt, hält er auf einmal inne. »Franziska«, sagt er mit gesenkter Stimme. »Das Beste, was du tun kannst, ist zu vergessen. Fahr heim und leb dein Leben. Versuch, das Beste daraus zu machen. Du kannst es irgendwann mal wiedergutmachen.«
    Ich nicke. Wie sehr ich diese gut gemeinten Worte und Lebensweisheiten satthabe!
    So schnell ich kann, lasse ich die Straßen mit den Vogelnamen hinter mir, es kommt mir vor, als schrien alle diese Vögel auf mich herunter und formierten sich, um sich auf mich zu stürzen. Rotkehlchen, Meisen, Finken, Drosseln, Amseln… Krähen, Raben…
    Ich weiche einer ohrenbetäubenden Kehrmaschine aus, die den Bürgersteig sauber fegt. Hier liegt wirklich kein Papierchen, nichts. Sauber wie im Gefängnis…
    »Paula?«
    Ich fahre herum.
    Nur einer nennt mich Paula.

27
    Benjamin!
    »He, du bist noch da! Ich hab dich gesucht!« Er schnauft, ist gerannt.
    »Jetzt hast du mich ja gefunden«, sage ich. Wieso hat er mich gesucht? »Und, was gibt’s so Dringendes?« Ich will nicht wieder etwas von meinem Fall hören. Nicht von ihm. Für ihn will ich Paula sein. Unschuldig und ohne Vergangenheit. Ich warte, sehe ihn nur an und stelle mir ganz fest vor, dass ich Paula bin.
    Er greift nach hinten, zieht eine gerollte Zeitung aus seiner Hosentasche.
    Ich rolle die Zeitung auf. Sie ist von heute. Auf Seite eins prangt mein Foto. Ein recht aktuelles. Keine Ahnung, wo sie das herhaben. Darunter ein kurzer Artikel:
    Erneute Ermittlungen im Partymord
    Schülerinnen und Schüler des Augustinus-Gymnasiums gedenken Verbrechen vor einem Jahr
    Kinding.
    Heute beginnen für alle bayrischen Schülerinnen und Schüler die Sommerferien. Mittlerweile ist es in Kinding Tradition, dass die zehnte Klasse des Augustinus-Gymnasiums eine Sommerparty am See feiert. Doch dieses Jahr fällt ein dunkler Schatten auf das Event.
    »Wir werden unsere Feier mit einer Schweigeminute für unseren verstorbenen Mitschüler Maurice beginnen«, sagt die Jahrgangssprecherin der zehnten Klasse, Katarina M.
    Die Sommerparty nahm im letzten Jahr für Maurice S. ein tödliches Ende. Eine zum damaligen Zeitpunkt 15-jährige Schülerin soll in der Nacht der Schulparty ihren gleichaltrigen Klassenkameraden im Bootshaus mit einem Ruder erschlagen haben. Olaf R.,

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