Sommernachtszauber (German Edition)
setzte sich, zog die Knie an und wiegte sich eine Sekunde lang. Plötzlich saß sie ganz still. Sie hatte eine viel bessere Idee. Und ganz nebenbei konnte sie dann dabei zusehen, wie Caroline an der Julia scheiterte. Vielleicht verging Ben dann die Lust daran, sie anzurufen.
Nein, wenn das Schiff namens Bimah sank, hatte keine dieser Ratten mehr eine Chance, es zu verlassen. Sie stand auf und ging langsam zu den Kulissen. Ihr war kalt. Eine Kälte, die von tief in ihrem Bauch bis hoch in ihr Herz reichte.
Zeit für etwas Erheiterung, dachte sie, als Ben und Caroline auf ihrem Schlafsofa Position bezogen. Mia lehnte an den klappernden, morschen Kulissen.
Zeit zum Scheitern, Caroline.
Als Caroline Sonntagabend zu Bett ging, lag sie lange nur still da. Sie hatte die Vorhänge nicht geschlossen, sondern war nur in ihr Bett getaucht und hatte sich die Decke über den Kopf gezogen.
Ihre Glieder wollten ihr seit dem Abend am Freitag im Bimah nicht so recht gehorchen, ein stetes, irres Gefühl, als ob sie schwebte und doch zur selben Zeit sank. Sie schloss die Augen ganz, ganz fest, presste sie zu, bis es wehtat. Doch es war umsonst: Weder verschwanden die Gedanken, noch kam der Schlaf. Schließlich gab sie auf. Was erwartete sie? Dass sie sich ruhig in die Federn kuscheln konnte? Traf man etwa alle Tage jemanden, der … plötzlich musste sie es laut sagen, weil es ihr so irre vorkam:
»1935«, flüsterte sie in die Dunkelheit. »1935. Seit 1935 nicht gesprochen, gelacht, geliebt.« Ihre Stimme verebbte in der schwarzen Nacht, die in ihrem Zimmer herrschte. Sicher könnte er noch leben, wenn er 1935 schon gelebt hatte. Ihr Großvater, der in einem Altenheim lebte, war 1930 geboren. Aber er sah ganz gewiss nicht so aus wie ein 20-Jähriger. Nicht wie irgendein 20-Jähriger, wohlgemerkt! Sondern der bestaussehendste 20-Jährige, den man sich vorstellen konnte.
Caroline warf sich auf die andere Seite. Augen zu, Augen auf. Als könnte sie ihn wieder vor sich sehen. Diese Haut, diese dicken Haare und die langen Wimpern! Alles an ihm war ein Geheimnis.
Sie stand auf und trat ans Fenster. Von hier aus konnte sie den Himmel besser sehen. Die meisten Lichter in Kreuzberg waren nun erloschen und machten den Sternen keine Konkurrenz mehr. Sie blickte hinauf – Großer Wagen, Gürtel des Orion und die Venus. Mehr kannte sie nicht. Gab es nicht eine Nacht im Sommer, in der man ganz viele Sternschnuppen sehen konnte? Vielleicht war das gerade heute – und was würde sie sich dann wünschen? Sie ging auf die Zehenspitzen. Da, das war eine! Nein, Mist, wieder nur ein Flugzeug. Sie hielt die Augen offen, bis sie trocken brannten. Auch umsonst. Es war noch immer keine Sternschnuppe zu sehen und Caroline gab auf.
Was hätte Julia sich gewünscht? Dass sie mit Romeo zusammen sein kann, gegen alle Widerstände ihrer Welt. Doch das war unmöglich. Genauso unmöglich wie: 1935. Gesprochen, geküsst, geliebt.
Plötzlich funkelten die Sterne wie der Strass an einer alten Kette, die sie mal auf die Flohmarkt gekauft hatte, weil sie aussah, als hätte schon Ava Gardner sie getragen. Die Sterne, der Himmel, die Sonne, die Millionen von Leben hier um sie herum und das ganze verrückte, wunderbare Universum, in dem auf so irrwitzig vollkommene Weise eines zum anderen passte.
Wie konnte sie, die unbedeutende Caroline Siebert, sagen, das gab es doch nicht ? Warum sollte es ausgerechnet das nicht geben? DAS. Sie wagte nicht, Johannes oder allem, was er darstellte, einen Namen zu geben. Noch nicht.
Sie lehnte sich gegen das Fensterbrett und sog die Nachtluft ein. Eine Katze sprang in der gegenüberliegenden Häuserreihe von Dach zu Dach. Plötzlich war alle Schwere in Caroline verschwunden. Sie war wie berauscht von diesem Gedanken: Alles war möglich. Auch für sie. Sie ließ das Fenster offen, als sie sich wieder hinlegte. Nun ging alles ganz einfach. Und sie schlief, die Sterne noch im Auge, ein.
Am Morgen war diese Leichtigkeit verschwunden. Ihr Körper war aus Eisen, ihr Herz aus Stein. Was erwartete sie heute im Bimah ? Johannes, der kein gutes Haar an ihr und ihrer Art zu spielen ließ?
Im Bad sah sie in den Spiegel: Augenringe und eine Haut, die vage an Draculas Lieblingsnichte, an der er besonders gerne schmauste, erinnerte. Nein, Julia hatte heute keinen guten Tag, das stand fest. Sie schüttelte den Kopf. »Du bist nicht Julia, okay?«, sagte sie laut in die gekachelte Stille des Badezimmers.
Sie schlug sich die Hand vor den
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