Sommernachtszauber (German Edition)
dringend mal wieder mit Mia was trinken gehen!
»Du bist schon was ganz Besonderes …«, begann Ben.
Oh nein, dachte Caroline. Damit konnte sie jetzt nicht umgehen. Bitte nicht zum Angriff überwechseln, Ben, bleib mein Kumpel! Hastig trank sie von ihrem Holunder-Prosecco. Er schmeckte nun beinahe wie Brausepulver. Pappsüß und etwas schal. Kinderkram. Sie sah auf das kerzengerade Arrangement, das Ben aus Teller, Glas und Besteck gebildet hatte. Jawohl, strammgestanden und alles am rechten Fleck.
In ihr revoltierte etwas, ohne dass sie ihm einen Namen hätte geben können. Plötzlich dachte sie wieder an den Stern, den Johannes dick mit der teuersten Paste, die er finden konnte, an ihre Tür gemalt hatte. Ihr gefiel dieser Übermut und diese Leichtherzigkeit. So sollte das Leben sein – voller Überraschungen, unberechenbar und golden schimmernd.
Ben zündete sich eine Zigarette an und redete weiter, auch wenn Caroline davon nur noch die Hälfte mitbekam. »Was ganz Besonderes. Aber gleichzeitig hältst du einen ganz schön auf Abstand. Ich glaube, ich habe noch nie so um ein erstes Date kämpfen müssen. Warum machst du das?«
Vor Carolines innerem Auge wurde Ben vor lauter Fragen ganz klein. Damit kam er ihr wieder nah – viel zu nah. Er meinte das sicher nicht böse, aber sie hatte einfach keine Lust, ihr Leben hier auszupacken, als ob sie wieder am ersten Morgen im Bimah säßen. Johannes hatte ihr keine dieser Fragen stellen müssen. Er wusste es. Er kannte sie. Und plötzlich wusste auch Caroline mit absoluter Klarheit, dass sie hier gerade zur rechten Zeit mit dem falschen Mann am falschen Ort saß.
Aber hoffentlich war es nicht zu spät, durchfuhr es sie mit einem Mal. Was machte, was dachte Johannes gerade, so allein im Bimah ? Er wusste, dass sie mit Ben ausgegangen war. Was empfand er? War er noch immer für sie da? Der Gedanke brannte wie Feuer.
»Entschuldige, Ben«, sagte sie und schob hastig ihren Drink beiseite. »Ich muss gehen.«
Er erhob sich ebenfalls halb, als sie nun aufsprang. Ihm stand vor Staunen der Mund offen. »Gehen? Aber wieso denn? Wir sind doch gerade erst gekommen!«
»Ich weiß, das ist schwer zu verstehen. Sei mir bitte nicht böse, ja? Bis morgen, Ben. Verzeih – und danke für den Drink.«
Sie lief aus dem Brachvogel und überschlug in Gedanken das Vermögen in ihrem Geldbeutel. An die 20 Euro. Es war zwar purer Leichtsinn, aber manchmal musste es einfach ein Taxi sein.
»In die Fasanenstraße, bitte. Zum alten Theater dort.«
»Wird gemacht, schöne Frau.«
Der Wagen raste durch die Stadt. Zum Bimah , zu Johannes. Johannes, der Frage und Antwort zugleich war. Nur eine Frage wollte sie sich besser jetzt nicht stellen, denn sie flößte ihr Angst ein. Eine Angst, die sie wie ein Sprung in eisiges Wasser erstarren ließ: Was, wenn er nun nicht mehr da war, weil sie mit Ben ausgegangen war? Ihr Magen verknotete sich vor Furcht.
»Johannes?« Im Foyer war es dunkel, als Caroline die Schwingtüren aufstieß. Sie stand ganz still. Ihr Blut rauschte wie ein Wildbach durch ihre Adern und ihr Atem hob und senkte sich in Wellen. Was, wenn er nun nicht da war? Oder sich ihr nicht zeigen wollte? Nie mehr? Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Mit vorsichtigen Schritten wagte sie sich in die Mitte des Foyers.
»Bist du hier?«, flüsterte sie rau. Der Klang ihrer eigenen Stimme, die unbedingte Notwendigkeit und die Leidenschaft darin erschreckten sie. So hatte sie sich noch nie sprechen hören. Was war nur los?
Ihre Augen gewöhnten sich an das Dämmerlicht im Haus. Die Schwingtüren zum Saal hin standen einen Spaltbreit offen und lockten sie hinein. Ihr Herz schlug so fest, dass es schmerzte. Alles an ihr sehnte sich plötzlich nach ihm und seiner Nähe. Sie fühlte sich verloren ohne ihn. Hier noch mehr! Dies war sein Reich, in dem er sie Königin sein ließ. Daheim musste sie sich um alles kümmern, umso schöner war es, sich bei ihm anlehnen zu können.
Caroline setzte wie von selbst einen Fuß vor den anderen in die orakelhaft schweigende Dunkelheit. Die Schwingtüren zum Saal schlossen sich sanft. Der Anblick gab Caroline verzweifelten Mut. Sie durchquerte das Foyer hin zu dem gravierten Glas der Türen, durch die ein matter Schimmer drang, und stieß sie wieder auf.
Vor ihr lag der Saal und die weite leere Bühne. Daneben schimmerte ihr das Geisterlicht wie ein Leuchtturm in dunkler, stürmischer See entgegen: Komm zu mir, hier bist du sicher, schien es zu
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