Sommernachtszauber
billigen Big-Sava -Produkten bestückte. Auf diese Art finanzierte sie schon seit Jahren ihre kleinen Extras. Was Marvin nicht wusste, brauchte ihn auch nicht aufzuregen. Und eine Entspannungsmassage wäre noch so ein herrlich sündiger geheimer Luxus …
»Okay.« Joss nickte und nahm sich geistesabwesend den letzten Keks. »Gib mir einfach Bescheid, wann – oh, sieht aus, als bekämst du noch mehr Besuch.«
Valerie spähte aus dem Fenster. »Mist, wo wir gerade alle Kekse aufgegessen haben – ach, macht nichts. Ist nur Topsy. Hat wohl mein Fahrrad zurückgebracht. Die isst sowieso nie was.«
Noch immer dick in graue und braune Sachen eingemummelt, streckte Topsy ihr runzeliges Gesicht zur Hintertür herein. »Ich hab dein Fahrrad ans Geländer gelehnt, Valerie. Hallo, Joss – liebe Güte, was macht ihr denn da? Sitzt hier rum und stopft euch mit Zucker und Kohlenhydraten voll – tödliche Kombination! Wenn das keine Arterienembolie gibt, fress ich’nen Besen. Ihr braucht Warfarin, damit euer Blut bei all dem Cholesterin überhaupt noch fließen kann – wahrscheinlich auch einen Herz-Bypass, wenn nicht sogar ein Angiogramm.«
»Danke, Topsy«, sagte Val grinsend. »Du verstehst es doch immer wieder, einen aufzumuntern. Und vielen Dank auch für das Fahrrad. Allerdings weiß nur der Himmel, wann ich damit wieder fahren kann.«
Topsy schnaubte. »Und ich weiß nicht, wie wir dich in der Cancan-Formation ersetzen sollen. Letztes Jahr hat es Ewigkeiten gedauert, bis wir Sukie gekriegt haben.« Sie richtete ihre braunen Knopfaugen auf Joss. »Sie haben wohl nicht zufällig Lust auf ein bisschen Juchzen und Hüpfen zur Musik von Offenbach?«
Joss schüttelte rasch den Kopf. »Zwei linke Füße, leider. In der Schule hab ich nicht mal den langsamen Walzer richtig hingekriegt. Außerdem bin ich viel zu alt.«
»Quatsch mit Soße!« Topsy zurrte das Kopftuch unter ihrem runzeligen Kinn fest. »Sie sind genauso alt wie Valerie und die meisten anderen meiner Mädels, und so was wie zu alt gibt’s gar nicht, sag ich immer. Alles nur eine Frage der Einstellung. Tja, dann werd ich wohl eine Anzeige aufgeben müssen, um einen halbwegs brauchbaren Ersatz zu finden. Muss aber jemand mit rascher Auffassungsgabe sein – wir haben die Formationen ja schon eingeübt und -«
»Gib doch bei Joss’ Mann Marv eine Anzeige im Bugle auf«, warf Valerie ein. »Der kommt in Bagley-cum-Russet in jeden Haushalt. So findest du vielleicht wen.«
»Gute Idee – du überraschst mich immer wieder, Valerie Pridmore. Irgendwo hast du ja doch ein Gehirn!« Topsy nickte Joss zu. »Können Sie mir denn zu einem guten Preis eine Anzeige entwerfen, und zwar möglichst bald?«
»Ich weiß etwas noch Besseres«, antwortete Joss schnell, von plötzlicher Begeisterung erfasst. »Ich werde einen Artikel über die Cancan-Truppe schreiben – und erwähnen, dass Sie junges Blut brauchen. Nun, nicht wirklich Blut, aber …«
Wahrscheinlich weil sie von Blut gesprochen hatte, schenkte ihr Topsy ein Lächeln, eine seltene Ehre. Dabei zerknitterte ihr Gesicht von der Stirn bis zum Kinn, dass es aussah wie frisch durch den Wolf gedrehtes Hackfleisch. »Ah, das gefällt mir! Ein Zeitungsartikel … hmmm. Auf die Art sparen wir auch die Kosten für eine Anzeige, nicht wahr? Schlaues Köpfchen!«
Joss strahlte zurück. Das würde Marvin gar nicht gefallen. Marvin mochte es grundsätzlich nicht, wenn sie Beiträge für den Bugle schrieb. Dabei wusste er gar nicht, welche von ihr stammten. Er glaubte schon lange, er habe diesem Unsinn ein Ende bereitet. Sie war jedoch recht einfallsreich geworden, was das Erfinden von Künstlernamen betraf. Auch hier galt: Was er nicht wusste, brauchte ihn nicht aufzuregen.
»Wenn Sukie uns massieren kommt, kann ich sie ja über diese ganze Cancan-Angelegenheit interviewen. Wie ein richtiger Reporter, der lauter Insidertratsch in Erfahrung bringt«, fuhr Joss fröhlich fort und sah sich schon als berühmte Journalistin.
»Wunderbar!« Topsy klatschte in die Hände. »Oh! Da fällt mir was ein! Ich muss auch zu Sukie und mit ihr über diese Hausmassagen sprechen. Ich sollte sie doch über einige Hintergründe aufklären, ehe sie loslegt. Ich glaube, sie weiß gar nicht, worauf sie sich da einlässt. Steht zu befürchten. Dieses Dorf hat eine bewegte volkskundliche Geschichte, von der sie wissen sollte, bevor sie anfängt, die Leute mit Gott-weiß-was einzureiben. Könnte ziemlich ins Auge gehen, wenn sie nicht
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