Sommernachtszauber
reden hören!« Valerie beugte sich vor. »Schließlich leben wir im einundzwanzigsten Jahrhundert! Es spielt überhaupt keine Rolle, ob dein Marv einverstanden ist oder nicht. Hier geht’s doch verdammt noch mal um dein Leben!«
»Ach ja, ich weiß … Ich will ihn ja gar nicht als steinzeitliches Ungeheuer hinstellen, immerhin wissen wir, wo wir stehen. Er geht zur Arbeit, ich bleib zu Hause und mach es uns schön. Wir vertragen uns halbwegs und haben es einfach und bequem und -«
»Stinklangweilig?«
»Tja …« Joss lächelte. »Stimmt.«
»Dann unternimm was dagegen!«
»Zu spät. Ich habe überhaupt kein Selbstvertrauen. An einem Arbeitsplatz wäre ich wie gelähmt vor Angst. Als die Kinder noch klein waren, wollte ich zu Hause bleiben, und jetzt bin ich daran gewöhnt.« Joss häufte Kekskrümel zu einer kleinen Pyramide auf. »Das ist mein Leben. Als die Kinder noch klein waren, war ich für sie da, und als sie zur Schule gingen, wollte Marvin, dass ich nicht arbeite, sondern Hausfrau bleibe.«
»Tja, bei seinem Gehalt bestand wohl auch keine finanzielle Notwendigkeit. Mein Alter wurde während unserer Ehe immer wieder geheuert und gefeuert, der Gute. Einer von uns musste sich schließlich abplagen und die Brötchen verdienen. Durch die Arbeit in der Schule konnte ich wenigstens immer für die Kinder da sein.«
Joss nickte. Valerie hatte fünf Kinder, alle waren verheiratet, alle wohnten in der Nähe, alle hatten selbst mindestens zwei Kinder, und alle kamen stets mit Freudenrufen und überschwänglichen Küssen und Umarmungen nach Hause.
Wenn die Pridmores mal wieder scharenweise Besuch hatten, machte Marvin immer die Fenster zu und lästerte ohne Ende. Joss hingegen beneidete sie glühend.
Außerdem hatte sie ja eine Art Arbeit: Schreibarbeiten – jeden Mittwochnachmittag tippte sie Marvins Protokolle der Nachbarschaftswache mit drei Durchschlägen auf ihrer uralten Reiseschreibmaschine, und an zwei Vormittagen in der Woche stellte sie die Artikel für den Bagley Bugle des kommenden Monats zusammen.
Der Bagley Bugle war das Nachrichtenblatt des Dorfes und Marvin der Redakteur – nicht dass er je viel redigiert hätte. Wenn Joss die Beiträge durchgesehen, die allzu aufwieglerischen aussortiert, die Anzeigen Korrektur gelesen und freitags die Schecks eingelöst hatte – sie fand, Marvin verlangte ganz schön viel für die Annoncen -, nahm Marvin den ganzen Kladderadatsch mit nach London, wo seine Sekretärin Anneka mit Hilfe von Scanner, Computer, Laserdrucker, Hefter und allem möglichen Hightech-Equipment allmonatlich die sechshundertzweiundsiebzig Exemplare des Bagley Bugle herstellte.
Vielleicht würde sie Marvin vorschlagen, auch für sie zu Hause einen Computer anzuschaffen. Dann müsste Anneka sich nicht mehr darum kümmern, und Joss hätte Gelegenheit, sich einzuarbeiten, nur für den Fall, dass sie vielleicht doch irgendwann einmal den Mut aufbrächte, sich um eine Stelle zu bewerben.
»Die kleine Sukie macht mir eine Beinmassage, damit ich wieder auf die Füße komme«, unterbrach Valeries Stimme diesen aufkeimenden Medien-Miniplan. »Du weißt schon, aus unserer Cancan-Truppe. Sie wohnt in Coras Cottage am anderen Ende von Bagley und arbeitet für Jennifer Blessing.«
»Wie?« Joss, gedanklich noch ganz in einer Tipp-Ex-freien Welt der Bildschirme, zog fragend die Augenbrauen hoch. »Sukie? Ach ja. Ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen, sieht ein bisschen irisch aus, nicht wahr? Das Cottage hat doch dieser merkwürdigen älteren Dame gehört, die sich mit Vögeln und Tieren unterhalten hat … Hieß sie Cora? Ja, sicher, das hatte ich ganz vergessen.« Joss lächelte. »Wir haben mehrere Werbefaltblätter über diese Hausbesuche bekommen – ich fand, das mit der Massage klang sehr verlockend -, aber Marvin hat sie natürlich in den Papierkorb geworfen und gesagt, das sei alles Humbug.«
»Natürlich.« Valerie schenkte Tee nach. »Ich sag dir was, wenn ich mit Sukie einen Termin ausmache, während Marvin bei der Arbeit ist, dann kannst du doch rüberkommen und hier eine Entspannungsmassage kriegen – zwei Termine in einem, verstehst du? Braucht er ja gar nichts von zu wissen. Und Sukie freut sich bestimmt über Kundschaft, wo sie gerade dabei ist, diesen neuen Geschäftszweig für Jennifer Blessing aufzubauen.«
Joss grinste. Warum nicht? Es schadete ja keinem. Sie würde es vom Haushaltsgeld abzweigen, indem sie die beschrifteten Vorratsbehälter im Küchenschrank mit
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