Sommernachtszauber
konnte. Arme Frau. Es würde ihr riesigen Spaß machen. Und sie war ja offensichtlich von dem Kostüm und der Vorstellung, sich exotisch zu verkleiden, total begeistert gewesen, ganz abgesehen davon, dass sie wirklich toll tanzen konnte. Sie wäre die ideale Besetzung.
Die Truppe teilte sich, juchzte und schwenkte die Beine. Chelsea und Sukie tanzten zu den gegenüberliegenden Seiten der Bühne, schürzten unsichtbare Rüschenröcke und schlugen diagonal aufeinander zu ein schwungvolles Rad. Bestens, dachte Sukie leicht benommen, klappt ja wirklich prima. In die Reihe zurück – noch ein Satz hohe Beinwürfe – dann noch mal springen und juchzen und Spagat und aus …
»Super!«, rief Topsy, als Orpheus’ Verführungsszene ausklang. »Super! Ganz wie die Mädels im Moulin Rouge!«
»Finde ich auch.« Derry Kavanagh tauchte grinsend aus dem dunklen Hintergrund des Saales auf, herrlich schimmerte sein strohblondes Haar über der weichen alten Lederjacke. »Tja, tut mir leid, wenn ich störe, aber ich soll hier ein Handy abholen.«
Topsy strahlte ihn an. »Ja, ja, natürlich. Wir sind fertig für heute. Hat es Ihnen gefallen?«
Derry hob die Augenbrauen. »Das kann man wohl sagen. Äh, Sukie, hat Milla angerufen?«
Sukie torkelte zum seitlichen Bühnenrand, sie schwitzte, war völlig außer Puste und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die blöde Chelsea lachte auch noch! Alle anderen, Topsy inbegriffen, verschlangen Derry mit lüsternen Blicken.
Sie kramte Millas Handy aus der Tasche und hielt es ihm hin. »Sie hat gesagt, sie käme es holen. Dich hab ich nicht erwartet.«
»Nein, aber ich glaube, sie hatte Angst, zwangsverpflichtet zu werden, sobald sie auch nur einen Fuß in diesen Saal setzt.« Um Derrys wunderschöne Augen bildeten sich Lachfältchen. »Das war ja echt, äh, beeindruckend.«
O Gott! Sukie seufzte tief. Nun hatte er sie in ihren wirklich schrecklich unvorteilhaften Trainingsklamotten wie einen Babyelefanten herumhopsen sehen, und noch dazu roch sie mit den Rückständen des Massageöls mittlerweile wahrscheinlich wie nach einer Mischung aus Desinfektionsmittel und billigem Fusel.
»Schön, dass es dir gefallen hat«, sagte sie knapp und hielt ihm noch immer Millas Handy hin. »Äh, wie lange hast du schon zugeschaut?«
Als sie Derry das Telefon gab, streiften seine Finger kurz die ihren, und es war, als würden elektrische Funken überspringen. Er entfernte sich. »Lange genug, um zu wissen, dass du mit den Füßen bis zu den Ohren kommst, formvollendet Rad schlagen kannst und mit deinen Beinen Sachen machst, von denen ein Mann nur träumen kann, ach ja, und aus dem Sprung einen Spagat hinbekommst.«
Mist, Mist, Mist.
»Viel zu lange also.« Sukie versuchte, ihre Verlegenheit scherzhaft zu überspielen. »Hoffentlich bekommst du keine Albträume davon. Äh, danke für das Handy. Äh, wie läuft’s mit der Wendeltreppe?«
»Bestens, danke. Milla kommt heute mit, um die Fortschritte zu sehen und meine Kunden kennen zu lernen. Du weißt ja, wie sie auf Promis steht, und seien sie noch so unbedeutend. Wie geht’s mit der Aromatherapie? Sind die neuen Öle gut?«
»Ja, ganz fantastisch. Ich bin rund um die Uhr beschäftigt, genauso wie du.«
Einen Moment lang sahen sie einander an.
»Tja, ich sollte Milla und meine Kunden wohl besser nicht warten lassen«, sagte Derry sanft. »War schön, dich wieder mal zu sehen. Irgendwie begegnen wir uns wohl nie unter normalen Umständen, wie?«
»Was ist schon normal?«, fragte Sukie, und ihr war schmerzhaft bewusst, dass ihre Wimperntusche verschmiert war, ihr Gesicht vor Schweiß glänzte und ihre Haare wüst in alle Richtungen abstanden.
»Du jedenfalls nicht.« Derry grinste sie an. »Zum Glück! Bis dann …«
»Ooooh!«, seufzte Chelsea, als Derry verschwunden war. »Der ist ja himmlisch … Sukie? Sukie? Ogottogott! Wie schaust du denn aus? Du bist total verknallt, stimmt’s? Es steht dir ins Gesicht geschrieben. Ach Süße – das can-can ja nur mit Tränen enden.«
14. Kapitel
J oss!«, rief Valerie Pridmore erfreut. »Hallo, Fremde! Wie gut, dass ich dich erwische. Ich hab mir schon richtig Sorgen gemacht, Kleines. Wir haben uns ja schon – wie lange? – bestimmt seit Wochen nicht mehr gesehen. Was ist denn los, um Himmels willen? Gehst du mir aus dem Weg? Wir sind doch nicht verkracht oder so?«
Joss, die im hinteren Garten versuchte, das frühmorgendliche Sortieren der Wertstoffabfälle, so gut es ging, in die Länge
Weitere Kostenlose Bücher