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Sommernachtszauber

Sommernachtszauber

Titel: Sommernachtszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Jones
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grässlichen Samstagen und Sonntagen drohte es jetzt, an sieben Tagen in der Woche zu werden.
    »Gut, aber wenn du den Schock erst mal halbwegs überwunden hast«, hatte sie versucht, ihm Mut zu machen, »kannst du dich doch nach etwas anderem umsehen. Man wird sich um dich reißen. Und du bekommst sicher eine dicke Abfindung, sodass wir uns keine Sorgen machen müssen.«
    Marvin hatte auf das weißlippige Gesicht mit den pulsierenden Schläfenadern geschaltet. »Bist du von Sinnen, Weib? Hör mir mal zu! Ich hab mein ganzes verdammtes Leben lang von Jugend an für ein und dieselbe Firma gearbeitet. Da gelte ich doch als verdammtes Fossil! Ich bin nur noch zehn Jahre vom Ruhestand entfernt – und dank der allgemeinen Misswirtschaft in diesem Land erhalte ich keinerlei Frührente! Die Abfindungen gehen genau nach Tarif! Das sind Peanuts! Mickrige Peanuts! Wir stehen am Existenzminimum, Jocelyn! Am Rand der Armut!«
    Joss hatte sich gedacht, das könne aber nicht ganz stimmen. Der Bungalow war schließlich abgezahlt. Doch ihr war durchaus klar, dass sie ohne Marvins mehr als großzügiges Gehalt den Gürtel um einiges enger würden schnallen müssen.
    »Und was wird aus deinen Kollegen?« Sie hatte sich vom Fenster abgewandt. »Hat die Firma irgendwelche Vorschläge unterbreitet? Wiedereingliederungsmaßnahmen? Unterstützung bei der Stellensuche? Umbesetzungen?«
    Marvins Gesicht war nun magentafarben mit glänzenden Wangen. »Was weißt du denn schon vom Geschäftsleben, Jocelyn, spar dir diese albernen Kommentare! Die Firma schert sich einen verdammten Dreck um uns! Die Firma hat alle Stellen gestrichen, die diese neuen Mistkerle für überflüssig halten. Die Firma hat mich in dem Moment vergessen, als ich zu dieser verdammten Drehtür hinausgegangen bin.«
    Joss hatte sich wieder zum Fenster gewandt und versucht, zwischen den Zeilen zu lesen. Es hatte also keinen totalen Kahlschlag gegeben. Nicht alle Mitarbeiter waren »überflüssig«. Nur Marvin und vermutlich einige andere, die schon von Jugend an dort waren und glaubten, die Firma müsse sie bis ans Lebensende ernähren; Marvin und seinesgleichen, die täglich im Büro erschienen, aber dort wahrscheinlich nicht sonderlich viel und produktiv arbeiteten; die aufgrund ihrer jahrelangen Anstellung wahrscheinlich mehr kosteten, als sie einbrachten; die durch aufgeweckte junge Leute ersetzt werden konnten, die bereit waren, für ein Basisgehalt anzufangen, um sich dann innerhalb der Firma allmählich emporzuarbeiten.
    So war das eben im Geschäftsleben.
    »Ich weiß, das ist ein schwerer Schlag für dich«, hatte Joss gesagt und versucht, keine Panik aufkommen zu lassen, »aber du könntest es auch als Chance für einen Neuanfang sehen. Du hast noch viele Jahre vor dir, in denen du deine, äh, Fachkenntnisse in einer anderen Firma einbringen kannst. Vielleicht nicht in London, aber es gibt ja auch massenhaft Firmen in Reading und anderen Orten hier in der Gegend, die dir sicher mit Freuden einen Job geben.«
    »Ich will aber keinen anderen verdammten Job!«, hatte Marvin gebrüllt. »Ich hatte eine verdammte Karriere! Die einzige verdammte Karriere, die ich je wollte und brauchte! Ich will nicht irgendwo anders arbeiten. Nein, das ist mein Ende! Mein Untergang!«
    Und dann war es noch schlimmer geworden.
    Marvin hatte Tilly und Ossie angerufen, am Telefon herumgetobt und gewütet und seine alte Firma und die neuen Inhaber in jedem Satz übel beschimpft. Daraufhin waren die Kinder aufgetaucht – zum ersten Mal seit Jahren, wie es ihr vorkam -, mit ihren hochnäsigen, ehrgeizigen Partnern. Alle hatten Joss wie ein Dienstmädchen behandelt und sich mit Marvin im Esszimmer verschanzt, während sie servierte und abräumte.
    Joss hatte im Türrahmen gestanden und ihren Gatten betrachtet, für den sie beim besten Willen kein Mitleid aufbringen konnte, sowie ihren Sohn und ihre Tochter, die sie so gut wie gar nicht zur Kenntnis nahmen, und sich gefragt, ob sie schon jemals so verzweifelt gewesen war.
    Dann hatten sich Tilly und Ossie mit ihren Partnern wieder verabschiedet, Joss mit vagen Versprechungen, »bald mal wieder vorbeizukommen«, geistesabwesend flüchtig auf die Wange geküsst, und da sie nicht in der Lage gewesen waren, in einer ihrer eigenen Firmen auch nur eine annähernd passende Stelle für Marvin vorzuschlagen, war er daraufhin noch tiefer in dumpfes Brüten verfallen.
    Joss holte tief Luft und kehrte in die Gegenwart vor Coddles zurück, mitten ins

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