Sommernachtszauber
Hoffentlich wurde es wieder so ein schöner Sommer wie im letzten Jahr. Sie schwenkte auf die rechte Fahrbahn, die am Stadtpark von Winterbrook entlangführte. Dort ragten blühende Kirschbäume hellrosa und weiß wie Zuckerwatte in den strahlend blauen Himmel.
Es war wirklich ein wunderbarer Frühlingstag.
Ach Mist, dachte Sukie einen Augenblick später, und alle Frühlingsträume zerplatzten beim lauten Lärm des Verkehrs und des Hupens schlecht gelaunter Fahrer. Auf dem Weg ins Stadtzentrum gab es einen massiven Stau. Jetzt würde sie ewig hier festsitzen. Der Schleichweg durchs Gewerbegebiet wäre sicher weniger verstopft … wenn sie sich nur auf die andere Fahrbahn hinüberdrängen könnte … Sie blinkte links und erzürnte die gesamte Autoschlange hinter ihr, indem sie die Spur wechselte, um die Stadtmitte zu umfahren.
Das Gewerbegebiet von Winterbrook war wie eine kleine Schlafstadt im Lauf der Jahre immer größer geworden. In seinen frühen Anfängen während der Thatcher-Ära in den Achtzigern hatten nur wenige mutige Unternehmer gewagt, hier ein paar Wohncontainer zu mieten, doch mittlerweile kündeten die Firmenschilder von einem florierenden Industriegebiet. Die Gewerbetreibenden regten sich zwar darüber auf, doch das Gewirr enger Straßen war zu einer Art Abkürzung für Einheimische geworden, die Winterbrook umgehen und zu einer der Nachbargemeinden fahren wollten.
Sukie sang zur Musik im Radio, bog um eine scharfe Kurve und nahm die Einfahrt zum Gewerbegebiet wie vorgeschrieben im Schritttempo. Es gab alle möglichen verschiedenen Betriebe, und den fröhlich bunten Fassaden und vollen Parkplätzen nach zu urteilen, schienen alle recht gut zu laufen. Sogar der Winterbrook Advertiser war aus den Räumlichkeiten an der Hauptstraße ausgezogen und residierte nun hier in zwei eingeschossigen Gebäuden. Sukie drosselte das Tempo vor der Kurve beim Parkplatz des Zeitungshauses und hielt abrupt an.
Ein hellgrüner Kleinbus mit leuchtend rosa Beschriftung stand quer vor ihr auf der Straße. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren und sehr kurzem schwarzen Rock versuchte gemeinsam mit einem zerzausten kleinen Mann, einen Reifen zu wechseln.
Sukie seufzte. So viel zum Thema Abkürzung.
Sie beugte sich aus dem Fenster. »Brauchen Sie Hilfe? Kann ich irgendwas für Sie tun? Ach ihr seid das, Amber und Jem! Ich hab euch nicht gleich erkannt. Wartet mal! Was ist passiert?«
Sukie stellte ihren Wagen am Straßenrand ab und kletterte heraus.
Jem war in mittleren Jahren, hatte einen Knochenbau wie ein Vögelchen und ein Gesicht wie ein Kobold. Er sah Sukie herausfordernd an.
Sukie erinnerte sich noch gut, dass Jem, der von Anfang an für Amber geschwärmt hatte, letztes Jahr während ihrer Mini-Romanze mit Lewis Flanagan alles andere als freundlich zu ihr gewesen war. »Hallo, Jem. Schön, dich wiederzusehen. Was ist los?«
In der ihm eigenen Zeichensprache erklärte Jem mit ausdrucksstarker Gesichtsmimik, wie der Reifen geplatzt war und dass sie nun das Rad wechseln mussten.
»Mensch«, sagte Sukie. »So ein Mist aber auch.«
Jem zwinkerte ihr verschmitzt zu und hielt beide Daumen hoch.
Puh, dachte Sukie. Sieht so aus, als sei mir verziehen worden.
»Entschuldigt, wenn ich im Weg stehe!« Amber, die den zerfetzten Reifen des Hubble-Bubble -Lieferwagens fachmännisch wechselte, zog eine Grimasse. »Verfluchtes Ding! Ist mit einem gewaltigen Knall in Stücke gerissen. Bin zu Tode erschrocken – aber Jem hatte Spaß daran.«
Jem grinste und nickte.
»Euch ist hoffentlich nichts passiert, oder?«, fragte Sukie. »Habt ihr einen Reservereifen? Soll ich Hilfe rufen?«
»Alles bestens, danke.« Amber richtete sich auf. »Ich komm hier gut zurecht. Ich bin selbst überrascht, was ich auf einmal alles kann, seit ich in Fiddlesticks wohne. Ich habe viel dazugelernt und kann jetzt auch einen Reifen wechseln.« Sie kicherte. »Ich kann sogar Ziegen melken.«
Sukie zog die Brauen hoch. »Tatsächlich? Wie denn das?«
»Die neueste Rettungsaktion von Gwyneth und Big Ida: Ziegen. Waren eigentlich für den Metzger bestimmt.« Amber verzog das Gesicht. »Stattdessen wurden sie alle nach Figuren der Serie Coronation Street benannt, führen ein Luxusleben auf dem Dorfanger von Fiddlesticks und versorgen die Allgemeinheit mit Milch und Käse.«
»Süß. Freut mich, dass sie wohlauf sind. Ein Happy End ist doch immer etwas Schönes. Bist du sicher, dass du hier klarkommst? Brauchst du bestimmt keine
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