Sommernachtszauber
– wie immer. Wenn du so weitermachst, nehme ich nächstes Jahr am Marathonlauf teil.«
Sukie grinste. Ellen war Ende dreißig, und vor ein paar Jahren war bei ihr Multiple Sklerose festgestellt worden. Sie war der festen Überzeugung, dass Sukies wöchentliche Massagen und eine gehörige Menge Cannabis ihr weitaus besser halfen als alle Betablocker und Steroide der Welt.
Während Ellens Massage hatten sie sich über den tollen Bericht im Winterbrook Advertiser unterhalten, und Sukie hatte erzählt, wie und warum sie die synthetischen Essenzen hatte ersetzen müssen, was es mit den Liebestränken auf sich hatte und dass ihre Klienten Gerüchten zufolge ein neu erblühtes Liebesleben genossen und sich in die unmöglichsten Typen verliebten.
Ellen hatte sehr gelacht und gesagt, vielen Dank, bei ihr sei diesbezüglich alles bestens. Ihr Freund, der seit der Diagnose wie ein Fels in der Brandung zu ihr stand, sei immer noch mächtig scharf auf sie, und sie bräuchten keine weitere Unterstützung durch Sukies Tränke.
»Ich behandele dich sowieso mit einer Mischung aus Ingwer und Nesseln«, hatte Sukie gesagt und das Öl tief in Ellens schwindende Muskeln eingearbeitet. »Immer schon. Nur ist das hier jetzt die hausgemachte Version.«
»Und hatte dein Tantchen Cora auch dafür einen Vers?«
»Hmmm, ja, lass mich mal nachdenken – oh!«
Heißer Ingwer und süße Nesseln
befreien Liebende von allen Fesseln.
Sie lindern Schmerz mit ihrem Brennen
und lehren wahre Lust dich kennen.
»Wunderbar!« Ellen hatte ihre Jogginghosen angezogen. »Vielleicht sollte ich gleich meinen Freund anrufen. Das will er sich bestimmt nicht entgehen lassen.«
Sie lachten miteinander; das Angebot, sich zur Feier des Tages einen Joint zu teilen, lehnte Sukie jedoch dankend ab und versprach, in der nächsten Woche zur selben Zeit wiederzukommen.
Dann verstaute sie ihre Köfferchen im Wagen und fuhr von dem Halbrund viktorianischer Reihenhäuser ins Zentrum von Winterbrook. Die nächsten Termine hatte sie erst wieder am Nachmittag, und sie überlegte, ob es sich lohnte, Chelsea anzurufen, um sich mit ihr in Hazy Hassocks zum Lunch zu treffen. Im Faery Glen gab es leckere Snacks und in Patsy’s Pantry eine Riesenauswahl an Torten und süßem Gebäck.
Wenn sie nach Hassocks fuhr, liefe sie andererseits aber auch Gefahr, dass Jennifer sie erspähte, und da sie wirklich keine Lust hatte, sich zu mehreren Stunden Arbeit im Beauty’s Blessings verpflichten zu lassen und sich dabei Tiraden über die weiteren Stümpereien der beiden Kylies anzuhören, war das vielleicht keine so gute Idee.
Allerdings wäre Jennifer über die namentliche Erwähnung von Beauty’s Blessings im Winterbrook Advertiser sicher hochentzückt. Jennifer war immer total begeistert, wenn sie irgendetwas umsonst bekam, vor allem, wenn es der Publicity diente. Joss Benson hatte hervorragende Arbeit geleistet. Selbst die Fotos waren gar nicht übel, und das war wirklich erstaunlich, wenn man die Unterschiede in Alter, Leibesfülle und Größe der Cancan-Tänzerinnen bedachte.
Also, überlegte Sukie an der ersten Ampel, zum Essen mit Chelsea nach Hassocks oder nicht? Lieber nicht, entschied sie schließlich und zuckelte langsam durch die verstopften Hauptstraßen des Marktstädtchens. Nicht nur weil sie sich von Jennifer nicht erwischen lassen wollte, sondern auch weil Chelsea gegenüber das Thema »Verknallt in Derry« ein Grund zur Zurückhaltung war.
Von Chelseas SMS-Texten dazu hatte sie ohnehin schon die Nase voll, und wenn sie sich persönlich gegenübersäßen, würde sie garantiert endlos darauf herumreiten. Eigentlich hatte eine gute Freundin ja auch ein Recht dazu, fand Sukie. Wenn es sich andersrum verhielte, wäre sie selbst bestimmt genauso hartnäckig. Aber wenn man selbst die Betroffene war …
Also nicht nach Hazy Hassocks, aus zwei guten Gründen. Sie würde nach Hause fahren, hinter den Kartenspielern aufräumen, für die Nachmittagskunden in Pixies Laughter alles vorbereiten und vielleicht im Garten noch einige Blumen pflücken, um ihre Vorräte zu vervollständigen – in einer der Rabatten hatte sie Schöllkraut und Immergrün entdeckt. Mit Chelsea konnte sie sich ja dann für heute Abend im Barmy Cow verabreden.
Liebe Güte, war das aber ein Verkehr, dicht an dicht kroch die Autoschlange dahin … Sukie kurbelte das Fenster herunter und ließ die warme Luft ins Wageninnere. Die Sonne hatte wirklich Kraft, dabei war noch nicht einmal Ostern.
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