Sommerprickeln
haben mit dem Motel.«
»Ich sitze an einem großen Projekt, das ich in trockenen Tüchern haben will«, sagte Annajane leise. »Ich habe definitiv für nächste Woche gekündigt.«
»O nein!«, riefen die Männer wie aus einem Munde. »Bedeutet das auch, dass Sie Passcoe den Rücken kehren?«, wollte Harold wissen.
»Fürs Erste, ja.« Sie blickte in ihr Cocktailglas. »Ich brauche mal eine neue Umgebung.«
Thomas tauschte einen vielsagenden Blick mit seinem Partner. »Männerprobleme?«
Annajane nickte. »Kann man so sagen.«
Harold klopfte ihr auf die Schulter. »Egal, wer es ist, er ist ein Idiot.«
»Danke«, sagte sie und wollte gehen. Doch dann hielt sie ihnen ihr halbleeres Glas hin und fügte hinzu: »Er heiratet morgen. Könnten Sie mir das vielleicht noch auffüllen für später? Nach meinem Tag heute brauche ich, glaube ich, einen Schlummertrunk.«
»Klar«, sagte Thomas und gab ihr den Cocktail-Shaker. »Nehmen Sie einfach das ganze Ding mit.«
Der Nachteil an einem richtigen Retro-Motel aus den Fünfzigern war, wie Annajane feststellte, dass es keinen Fernseher gab. Schließlich wollte man möglichst authentisch wirken. Nachdem sie die alten Anzeigen eine Stunde lang angestarrt und sich die Liedchen angehört hatte, hatte sie ihr Jingle-Projekt irgendwann beiseitegelegt.
Stattdessen griff sie in die Kiste mit den alten Quixie-Rezeptbüchern, die eigentlich für den Müll bestimmt gewesen waren. Sie suchte etwas, das dem von Thomas gesuchten Muffinrezept nahekam.
Das Rezeptbüchlein war augenscheinlich intern produziert und dann an Verkaufsständen verteilt oder als Prämie versandt worden. Annajane blätterte durch ein Heftchen mit dem Titel Spaß mit Quixie und stieß auf eine Seite mit Rezepten für Quixie-Sommerfreuden, unter anderem für ein in Quixie mariniertes Grillhähnchen, das Rezept für Baked Beans, das sie schon einmal gesehen hatte, und für einen Schokoladenkuchen mit Schoko-Quixie-Glasur.
Neben den Rezepten war eine Seite mit einem großen Schwarz-weißfoto von Jugendlichen, die sich auf einem Grillfest amüsierten. Als Annajane deren adrette Kleidung bestaunte, stellte sie erschrocken fest, dass die kecke Brünette links auf dem Foto, die mit der rechten Hand eine Flasche Quixie in die Luft reckte, niemand anderes als die junge Ruth Hudgens war.
»Du liebe Güte, Mama«, sagte sie leise. Das verträumte Lächeln ihrer Mutter war auf einen schicken jungen Kerl gerichtet, der ein kurzärmeliges Hemd mit Madraskaro und eine Khakihose mit Bügelfalten trug. Er hatte so große Ähnlichkeit mit Mason, dass Annajane die Puste wegblieb, aber als sie genauer hinsah, stellte sie fest, dass sie einen jugendlichen Glenn Bayless vor sich hatte, der den Arm um die unglaublich junge und reizende Ruth gelegt hatte.
Annajane wusste, dass das Foto gestellt war, doch als sie die Gesichter der anderen Jugendlichen musterte, fiel ihr auf, dass Sallie Bayless nicht unter den Feiernden war.
»Mama und Glenn?«, murmelte sie. Waren die beiden mal zusammen gegangen? Mit dem Mut der Martinis, die sie getrunken hatte, griff Annajane zum Telefon und rief ihre Mutter an.
»Hallo, Mama«, sagte sie sanft. Nachdem sie eine Weile über ihre Jobaussichten gesprochen und sich vorwurfsvolle Fragen hatte anhören müssen, warum sie nicht zu Verstand kam und sich mit Shane vertrug, gelang es ihr schließlich, auf den Punkt zu kommen.
»Hör mal, Mama«, sagte sie und starrte auf das Rezeptbüchlein neben sich, »ich habe mir gerade ein paar alte Quixie-Anzeigen angeguckt, und da habe ich eine mit einem Foto von einem Grillfest gefunden, auf dem du abgebildet bist. Kannst du dich daran erinnern?«
»Das alte Ding?« Ihre Mutter lachte. »Guter Gott, daran habe ich ja seit Jahren nicht mehr gedacht, mein Schatz.«
»Du trägst auf dem Foto ein kurzes Etuikleid und hast das Haar zu einer Tolle frisiert. Du siehst so süß aus, ein bisschen wie Jackie Kennedy damals«, sagte Annajane.
»Das habe ich früher öfter gehört«, gab Ruth zu. »Ich wette, ich war nicht mal achtzehn, als das Bild gemacht wurde. Das Kleid habe ich selbst genäht. War mein Lieblingskleid.«
»Das wäre heute wieder richtig schick«, meinte Annajane. »Mama, auf dem Bild hat Glenn Bayless den Arm um dich gelegt. Ihr beiden seht aus wie zwei Turteltauben.«
»Was?«, rief Ruth empört. »Annajane, wir mussten uns für den Fotografen so hinstellen.«
»Du guckst ihn aber nicht sehr gestellt an«, sagte Annajane. »Und er sieht
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