Sommerprickeln
keine zwei Jahre waren sie verheiratet gewesen, als die ersten kleinen Risse in ihrem Glück auftauchten.
Mason und Annajane wohnten im Cottage des Hausmeisters von Cherry Hill. Es war nur vorübergehend, versicherte Mason ihr, eine mietfreie Zwischenlösung, bis sie genug Geld gespart hätten, um ein eigenes Haus anzuzahlen.
Das Cottage stand schon seit Jahren leer. Als Kinder hatten Pokey und Annajane es als Spielplatz in Beschlag genommen, es mit ausrangierten Möbeln aus dem großen Haus eingerichtet, einem wackligen Küchentisch, zwei klapprigen Holzstühlen und einem Feldbett zum Übernachten. Mit einer zerdellten Pfanne spielten sie Köchin; einmal brannten sie das ganze Gebäude fast ab, als sie versuchten, eine Dose Miracoli auf Davis’ Campingkocher von den Pfadfindern zu erwärmen.
In den ersten Monaten ihrer Beziehung waren Annajane und Mason ins Cottage des Hausmeisters geschlichen, um ungestört zu sein.
Anfangs war Annajane ganz entzückt von dem malerischen Häuschen mit dem steilen Schieferdach, dem Natursteinkamin und den Bleiglasfenstern mit Blick auf den See gewesen.
Aber dort zu wohnen, war etwas völlig anderes. Die verzogenen Türen der Küchenschränke schlossen nicht richtig, der Kühlschrank funktionierte nur selten, und das reizende Dach hatte ein Leck – direkt über dem Bett. Im Winter zog es, im Sommer war es heiß. Feuchtigkeit und Schimmel vom See schienen das ganze Jahr über in jede Ritze zu kriechen. Außerdem gab es Mäuse. Sie hatten weder Waschmaschine noch Trockner, was bedeutete, dass sie entweder in die Stadt in den Waschsalon fahren oder ihren Korb voll dreckiger Wäsche hoch zum großen Haus schleppen mussten, wie zwei Studenten.
Das alles hätte Annajane noch gerne in Kauf genommen. Sie war nicht in einer Villa groß geworden, so wie Mason. Im kleinen Ranchhaus ihrer Familie gab es genau ein Zimmer mit Klimaanlage – in Ruths und Leonards Schlafzimmer –, dazu nur ein Bad. Das eigentliche Problem des Cottage war seine Lage – im direkten Einflussbereich von Sallie Bayless, die sich konstant in ihr Leben einmischte und dazu neigte, unangemeldet reinzuschauen, um Annajane unerwünschte Ratschläge zu jeglichem Thema zu erteilen: von Haushaltsführung – »Annajane, meine Liebe, du musst die Kommode aus Walnussholz von Masons Großmutter wirklich jede Woche mit Zitronenöl behandeln, sonst trocknet das Holz aus« – übers Kochen – »Annajane, meine Liebe, bei uns kommt kein dunkles Fleisch in den Hühnersalat« – bis zur Partnerschaft – »Annajane, meine Liebe, kein Mann möchte seine Frau am Morgen sehen, bevor sie sich nicht geschminkt, die Haare und sein Frühstück gemacht hat.«
Ihre Schwiegermutter ging nie so weit, Annajane in Gegenwart von Mason zu kritisieren. Das war nicht Sallies Stil, aber ihr ständiges Genörgel hatte dieselbe Wirkung wie Sand im Getriebe.
Annajane wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihr Leben vor Masons Familie oder deren Firma abzuschotten. Sie waren zu eng miteinander verwoben.
Und es war alles nur Pokeys Schuld.
An einem eiskalten Abend im Februar war sie unangekündigt in Annajanes Apartment in Raleigh aufgetaucht.
»Rat mal!«, hatte sie gesagt, kaum dass sie die Wohnung betreten hatte. »Ich bin schwanger!« Und ihre nächsten Worte waren: »Du wirst meine Trauzeugin. Ein Nein akzeptiere ich nicht.«
Pokey hatte es nicht eilig gehabt, das College zu beenden. Sie hatte behauptet, in ihrem Sechs-Jahres-Plan zu sein, bis sie auf einer Party in Chapel Hill Pete Riggs kennenlernte. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie in Charleston, der eine große Möbelkette gehörte. Pete war groß, rothaarig und hatte ein vierjähriges Golf-Stipendium für die kleine Privatuniversität Wake Forest . Die lebenslustige Pokey rief Annajane noch am selben Abend an und verkündete todernst, sie habe ihren zukünftigen Ehemann kennengelernt. Und wie immer hatte sie bekommen, was sie wollte.
Ehe Annajane sich versah, wurde sie zu Anproben in Brautmodengeschäfte geschleppt, und ja, zurück nach Passcoe beordert, um an einer offenbar endlosen Reihe von Brunches, Kaffeeklatschrunden, Abendessen und Brautpartys teilzunehmen.
Mason ließ sich bei keinem der vorhochzeitlichen Termine blicken. Mit dem Segen seines Vaters arbeitete er als Regionalmanager beim Getränkehersteller Dr. Pepper in Memphis, um Berufserfahrung außerhalb des Familienbetriebs zu sammeln. Pokey gestand Annajane, dass er ihr wegen der ganzen Sache gehörig auf die
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