Sommerprickeln
sie sich nicht mehr erinnern, wann sie sich zum letzten Mal an einem Samstagmorgen geliebt hatten.
Annajanes Gesichtszüge verhärteten sich, als sie an den Vorabend dachte. Wenn Mason nicht bald aufwachte und sich bei ihr entschuldigte, würden sie nie wieder miteinander schlafen! Nein, das meinte sie nicht ernst. Sie liebte ihren Mann und auch den Sex mit ihm. Aber es musste sich wirklich etwas ändern. So konnten sie nicht weitermachen.
Mit einem Seufzer ging sie zur Tür und schwor sich, dieses Gespräch mit ihm zu führen, wenn sie vom Country Club nach Hause käme.
Nochmals seufzte sie, als sie verärgert feststellte, dass Masons Firmenwagen, ein großer weißer Yukon mit dem Quixie-Logo auf der Tür, ihren Acura in der Einfahrt zugeparkt hatte. Einen Moment lang überlegte sie, ihn zu wecken und zu zwingen, seinen Wagen wegzufahren. Aber sie konnte auch genauso gut den SUV nehmen. Es war ein bitterkalter Morgen, es waren gut zweieinhalb Zentimeter Schnee gefallen. In nächster Zeit würde Mason sich nicht aus dem Haus bewegen, und falls er doch etwas vorhatte, könnte er Annajanes Acura nehmen.
Sie setzte sich in den Yukon, drückte auf verschiedene Knöpfe und stellte den Sitz auf ihre Größe ein, zehn Zentimeter kleiner als Mason. Vorsichtig manövrierte sie den großen Wagen rückwärts aus der Einfahrt und fuhr kurz darauf durch das schmuckvolle schmiedeeiserne Tor von Cherry Hill.
Als sie im Kopf noch einmal alles durchging, was sie im Club erledigen musste, drückte sie geistesabwesend auf den Radioknopf im Armaturenbrett. Sie wollte die Wettervorhersage hören, und dann würden sie ein paar Weihnachtslieder vielleicht in Festtagsstimmung versetzen.
Doch statt der Wettervorhersage hörte sie eine sinnliche Frauenstimme At Last singen. Etta James? Seit wann hörte sich Mason Etta James an? Sie hätte gewettet, dass Mason noch nie von dieser Frau gehört hatte. Mit einem behandschuhten Finger tippte Annajane auf die Vorwärtstaste. Das nächste Lied war noch seltsamer: Let’s Get it On von Marvin Gaye. Sie drückte auf Eject und holte die CD aus dem Gerät.
Es war eine selbstgebrannte Scheibe, auf der mit violettem Stift in einer Frauenhandschrift geschrieben war: Frohe Weihnachten, mein Schatz. Denk an mich, ich denk nämlich auch an Dich.
Annajane hatte das Gefühl, dass ihr jegliches Blut aus dem Gesicht wich. Ihre Hände zitterten so heftig, dass sie den SUV auf den Seitenstreifen lenken musste. Dort blieb sie fünf Minuten sitzen, starrte auf die CD und überlegte, was sie zu bedeuten hatte.
Denk an mich? Wer war dieses Ich? Die Besitzerin eines violetten Stifts? Eva? Die Managerin von Maxi-Mart ? Hatte Eva diesen Sampler von Liebesliedern zusammengestellt? Annajane biss sich so heftig auf die Lippe, dass es blutete. Hatte das so kommen müssen? Immerhin war Mason sehr ehrgeizig. Er musste gewinnen, um jeden Preis. Und wenn er mit einer erotischen Frau wie Eva schlafen musste, um das Geschäft abzuschließen, würde er sich dann weigern?
Oder nicht?
Irgendwie riss sich Annajane zusammen und fuhr zum Country Club. Sie schaffte es, die Arbeiter zu dirigieren, die die Musikanlage zusammenpackten und auf einen Lkw luden, der sie zur Verleihfirma zurückbrachte. Annajane blieb so lange, bis der Saal wieder so sauber und aufgeräumt war wie vorher. Gerade wollte sie den Club verlassen, als ihre Schwiegermutter mit ihren beiden besten Freundinnen hereinkam, Martha und Corinne.
»Ah, Annajane, meine Liebe!«, rief Sallie und umklammerte ihren Arm. »Du kommst ja wie gerufen! Wir können etwas essen gehen, und da Gaynelle Migräne hat, könntest du die Vierte beim Bridge sein.«
Annajane konnte sich nicht erinnern, dass Sallie sie schon jemals zu einer Bridgepartie eingeladen hätte, ihr fiel auch nichts ein, was sie weniger gerne getan hätte. »Ich kann nicht«, platzte es aus ihr heraus. »Ich bin ganz schlecht im Bridge. Und … Mason wartet zu Hause auf mich.«
Doch Sallie bestand darauf, dass Annajane zum Essen mit ihren Freundinnen blieb. Sie akzeptierte einfach kein Nein. Es gelang Annajane, gerade so viel von dem grünen Salat und der Krabbensuppe hinunterzuwürgen, dass ihre Schwiegermutter sich keine Sorgen machte. Nach einer quälenden Stunde bat sie schließlich, sie zu entschuldigen.
Als sie zum Haus zurückkam, stand ihr Acura noch immer da, wo er am Morgen gewesen war. Mason saß im Wohnzimmer, trug eine verblichene Jeans und sein verschlissenes Lieblingssweatshirt von der Penn
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