Sommerprickeln
und nach Holden Beach ziehen.
»Jetzt?«, fragte eine überrumpelte Annajane und starrte die Kisten an, die ihre Mutter offenbar über Nacht gepackt hatte. Leonard lächelte matt von seinem Fernsehsessel herüber und blickte dann beiseite.
»Er hat’s mit dem Herzen«, sagte Ruth. »Die Ärzte meinen, er hätte einen angeborenen Herzfehler. Vom Arbeiten in dieser verfluchten Fabrik …«
»Das hat der Arzt nicht gesagt«, widersprach Leonard. »Das hat mit Quixie oder den Bayless’ überhaupt nix zu tun. Dreißig Jahre Rauchen und diese komische chronische Wie-heißt-sie-noch-gleich, die haben meinem Herzen einen mitgegeben.«
»Aber warum an die Küste?«, fragte Annajane. »Da kennt ihr doch überhaupt niemanden. Warum bleibt ihr nicht hier, wo eure Verwandten und Freunde wohnen?«
»Weil es höchste Zeit ist, dass wir wegkommen aus Passcoe«, verkündete Ruth. »Wir wollten immer schon am Meer leben. Spaziergänge bei Sonnenuntergang, Golf spielen, Fisch essen, unser Leben genießen, solange wir es noch können.«
»Deine Mutter hat eine Shrimps-Allergie«, warf Leonard ein. »Und ich kann einen Putter nicht von einem Driver unterscheiden. Wir werden uns zu Tode langweilen. Aber sie hat es sich in den Kopf gesetzt, ich kann nichts dagegen tun.«
Einen Monat später erlitt Leonard den ersten von zwei Herzinfarkten, und das emotionale Tauziehen begann erst richtig.
Wann immer Annajane Zeit hatte, nahm sie die lange Fahrt nach Holden auf sich, aber wenn es nicht ging, beschwerte sich Ruth giftig.
»Du hast bestimmt was Besseres zu tun mit deiner neuen schicken Familie, dass du nicht herkommen kannst«, sagte sie beispielsweise mit einem leidenden Seufzer. »Wahrscheinlich ist wieder irgendwas im Country Club.«
Wenn Annajane das Wochenende dann einmal bei ihren Eltern verbrachte, hatte sie Schuldgefühle, nicht bei Mason zu sein. Obwohl der kein Problem damit zu haben schien, sich anderweitig zu beschäftigen, während sie unterwegs war – nicht mal an den Wochenenden, wenn Annajane zu Hause war. Er war schon immer ein großer Fan von College-Football und -Basketball gewesen, aber nach ihrer Heirat kam es ihr vor, als würde Mason unverhältnismäßig viel Zeit mit dem Sport verbringen, entweder live im Stadion oder vorm Fernseher.
»Du bist doch sonst nicht nach Chapel Hill gefahren«, schäumte sie eines Samstagsmorgens, als er darauf wartete, dass sein Vater und Davis ihn mit ein paar Kumpeln abholten. Sie wollten zu einem wichtigen Basketballspiel, obwohl Mason nur wenige Stunden zuvor von einer einwöchigen Geschäftsreise heimgekehrt war. »Ich verstehe nicht, warum das so eine große Sache für dich ist.«
Selbst in ihren Ohren klang das zickig und weinerlich, doch Annajane konnte einfach nicht anders. Seit fast zwei Wochen hatte sie Mason nicht mehr für sich allein gehabt. So wie es aussah, würde er erst am Sonntag gegen Mittag aus Chapel Hill zurückkommen und direkt am Montag mit seinem Vater die nächste Geschäftsreise antreten.
Mason guckte erst ungläubig, dann verärgert. »Meinst du das ernst? Das ist das wichtigste Spiel des Jahres in unserem Staat. Seit ich fünf Jahre alt bin, gucke ich mir diese Duelle an. Das erste Spiel Carolina gegen Duke habe ich mit meinem Großvater geguckt. Und der wurde von seinem Großvater mitgenommen. Wenn du mitwillst, kann ich dir eine Karte besorgen.«
»Und dir den ganzen Spaß verderben, weil du dann der Einzige bist, der seine Frau im Schlepptau hat? Nein, danke«, sagte Annajane schnell.
An den meisten Wochentagen war sie abends allein zu Hause, und Annajane spürte, wie sie allmählich verbitterte, obwohl sie sonst immer so fröhlich gewesen war. Pokey war so beschäftigt mit ihrem kleinen Sohn und schon wieder schwanger, dass sie nicht viel von ihr sah. Ihre anderen Freundinnen, die das Singledasein genossen, luden Annajane manchmal zum Ausgehen oder Essen ein, aber sie hatte keinen Spaß mehr daran, bis zwei Uhr morgens unterwegs zu sein, nur um am nächsten Morgen unausgeschlafen und mit einer Fahne zur Arbeit zu stolpern. Sie erfand Ausreden, um nicht mitgehen zu müssen, blieb stattdessen zu Hause und ernährte sich von Dosensuppen und einem vagen Gefühl des Zerfalls.
Und wenn Mason allabendlich aus der Ferne anrief und von dem Essen erzählte, das er gerade mit wichtigen Kunden in Vier-Sterne-Restaurants in Atlanta, Charlotte, Nashville oder Charleston genossen hatte, dann betrachtete Annajane schweigend das heruntergekommene kleine
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