Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
denn ich habe etwas getan, von dem mein Gefühl mich schon viel zu lange abgehalten hat. Und allein das Wissen darum, dass es richtig war, hat mich dazu gebracht, über meinen Schatten zu springen.
Ist es nicht seltsam, dass sich Kopf und Herz so oft uneins sind und man dennoch nicht immer nur dem Gefühl folgen sollte? Manchmal im Leben gibt es Situationen, die nur dann zum Guten führen, wenn man vernünftig handelt, und seltsamerweise ist es genauso oft andersrum. Doch wann ist das eine richtig und wann das andere? Und warum können Körper und Geist nicht immer im Einklang sein? Wäre das Leben zu einfach, wenn man nie die Gelegenheit hätte, seine Entscheidungen, über die man so lange so zerrissen gegrübelt hat, zu bereuen? Würde man es dann überhaupt noch wertschätzen? So viele Fragen, auf die es wohl nie eindeutige Antworten geben wird, zumindest keine, die einen jeden von uns glücklich machen werden. Am Ende bleibt es jedem selbst überlassen, welche Wahl er trifft. Drum verzweifle nicht, wenn du innerlich hin und her gerissen bist. Zwar mag es ein Fluch sein, unbekannte Pfade zu beschreiten, von denen der eine kaum vertrauenswürdiger zu sein scheint als der andere. Aber glaube mir, sehr viel öfter ist es auch ein Segen, denn nicht jeder hat die Freiheit zu wählen.
In Liebe deine Mutter
Traurige Gewissheit
Als sich am Morgen der Schacht öffnete und den ersten Sonnenstrahl in die Höhle ließ, war Arrow nicht überrascht, dass Elon die Erste war, die die bis dahin geltende Grenze überschritt und in Richtung des Waldes ging. Und es war ebenso ungewöhnlich, dass diejenigen, die schon so viel länger im Schloss lebten als die anderen, ihr als erste folgten.
Wie angewurzelt stand sie auf der Terrasse und beobachtete das weitere Geschehen.
Die Riesen erhoben sich zwischen den Bäumen und rieben ihre Augen. Lange hatten sie mit den anderen zusammen an der Abendtafel gesessen und ihre Gesellschaft genossen. Bon hatte gesagt, dass Riesen allgemein sehr gesellige Zeitgenossen wären. Sie liebten es, sich mit vielen zu umgeben und die Vielfalt der Persönlichkeiten, Meinungen und Erfahrungen zu erleben, denn sie waren im Allgemeinen sehr wissbegierig. In kleineren Gruppen dagegen gingen sie einander schnell auf die Nerven, noch dazu, wenn es sich dabei um jene handelte, mit denen sie ohnehin die meiste Zeit ihres Lebens verbrachten.
Arrow hatte sich viel Mühe gegeben, es ihnen so gemütlich wie möglich zu machen. Jedoch hatte es dazu auch jeder Menge Wein bedurft, denn die Angst vor ihnen war nach wie vor ungezügelt. Bedauerlicherweise hatte ihr das keinen besonders guten Nachtschlaf beschert, dennoch war es ihr es wert gewesen.
Nach und nach verließen immer mehr Bewohner die sicheren Mauern des Schlosses und gingen zum Wald, während andere ängstlich hinter den Fenstern ausharrten und lieber darauf warteten, dass ihnen die Bürde des ersten Schrittes abgenommen wurde. Furchtsam klammerten sie sich lieber an das Wenige, das sie hatten, als mutigen Schrittes jenem entgegenzutreten, das sie so lange herbeigesehnt hatten.
Abwesend schaute Arrow über das Land und bemerkte dabei nicht, wie sie mit ihrer Hand die Zwillingsschnecke umklammerte, die sie noch immer bei sich trug. Von Smitt fehlte noch immer jede Spur, ebenso wie von der Grünen Lady, ihrem Bruder und Keylam. Die Sorge zerriss sie beinahe innerlich und sie begann einen Hass gegen die Túatha Dé Danann zu entwickeln, wie sie es kaum für möglich gehalten hatte. So viele Jahre hatte sie sich nach einer richtigen Familie gesehnt, einer Familie, mit der sie sich umgeben konnte, und die ihr Halt durch ihre bloße Anwesenheit gab. Doch was war davon übrig geblieben? Ihr geliebtes Kind hatte sie zusammen mit ihrer Großmutter fortschicken müssen, ihr Mann war weit entfernt an einem Ort, der ebenso wenig Sicherheit bot wie all die anderen an der Oberfläche. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Sally hatte sie schweren Herzens begraben müssen, da sie die viele Grübelei beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Smitt, einer ihrer besten Freunde, war seit Tagen spurlos verschwunden. Dewayne war mit einer Hand voll Männern aufgebrochen, um einem Gerücht hinterher zu jagen, und die Grüne Lady konnte, wie immer, überall sein. Im Grunde war das nichts Ungewöhnliches, doch ihre Macht schwand, sie war so verwundbar wie nie zuvor in ihrem Leben, und die Tatsache, dass die Verbindung zu ihrer Mutter abgebrochen war, hatte es nur noch schlimmer
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