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Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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befand, doch ihr Verstand fragte wieder und wieder: ‚Was, wenn nicht?’.
    Eine gefühlte Ewigkeit verstrich und als sie innerlich langsam verzweifelte, offenbarte der Schnee plötzlich ein paar seltsam geformte Fußabdrücke. Anfänglich fiel ihr ein Stein vom Herzen, doch gleich darauf war es plötzlich genauso, wie Anne es beschrieben hatte – hoffnungslos, sinnlos und leer.
    Unweigerlich musste sie an den Tot ihres Kelpies, an Hels Reich und an Keylams vermeintliches Ableben denken, und wie es sich damals angefühlt hatte, Melchiors Selbstmord mit anzusehen. Erbarmungslose Kälte nahm Besitz von ihrem Herzen und die Erinnerungen an alles Schlechte in ihrem Leben stiegen sogar aus den tiefsten und verschlossensten Winkeln ihrer Seele hervor.
    Die Fußstapfen im Schnee mehrten sich. Es erweckte den Eindruck, als würde ein ganzes Dutzend aufgescheuchter Hühner um sie herum laufen. Irgendwann waren es jedoch so viele Abdrücke, dass niemand mehr mit Gewissheit hätte sagen können, von wie vielen Banshees sie tatsächlich umgeben war.
    Anne hatte erzählt, dass Todesfeen nicht sichtbar waren. Arrow behagte das ganz und gar nicht, denn ihre Gegenwart war durch und durch beängstigend. Sie versuchte, sich der Worte ihrer Großmutter zu entsinnen, atmete tief ein und aus, um bei klarem Verstand zu bleiben. Dann erhob sie sich und flog los.
    Kaum, dass ihre Füße den festen Boden hinter sich ließen, erklangen die Klagerufe der Banshees. Sie weinten so schmerzerfüllt, dass es Arrow in der Seele wehtat. Doch dann, ganz plötzlich und unverhofft, erklang leise das Lachen ihres Kindes aus dem Amulett. Anfangs hatte sie Mühe, ihm zu lauschen, denn das Gekreische ihrer Leibwache war wirklich ohrenbetäubend. Aber nach einer Weile konnte sie es soweit ausblenden, dass das Lachen auf einmal im Vordergrund stand. Und obwohl es nicht einfach war, konzentrierte sie sich mit aller Kraft darauf, es während der ganzen Reise nicht zu verlieren, denn es machte sie frei von trüben Gedanken.

    Als Arrow die Grenze des Holunderwaldes erreichte, löste sie sich aus dem Kreise der Banshees, um zur Landung anzusetzen. Kaum jedoch, dass sie an Höhe verlor, wurde sie unsanft von einer ihrer unsichtbaren Begleiterinnen gepackt und wieder hinauf gezogen. Erst als sie sich direkt über dem Wald befanden, gab sie Arrow wieder frei.
    Mit höchster Vorsicht landete sie in unmittelbarer Nähe zu den Geistern ihres Volkes. Wie damals schon tanzten die sieben Hexen unaufhörlich um den toten Baum, um die Nyriden in Schach zu halten. Noch immer hallte Annes Warnung, sie unter gar keinen Umständen bei diesem Tanz zu stören, in ihrem Kopf wider. Doch das allein war es nicht, was Arrow zur Vorsicht trieb. Vielmehr behagte ihr die Vorstellung nicht, in diesem Moment von einer Bestie wie dem Dämmerdämon beobachtet zu werden.
    Ein seltsames Licht zeichnete gruslige Schatten im Wald und niemand vermochte mit Sicherheit zu behaupten, unter welcher Schneewehe sich lediglich einer der vielen toten Büsche oder gar ein Monster verbarg.
    „Vor der Waldgrenze zu landen, wäre überaus dumm gewesen“, ertönte plötzlich Perchtas Stimme.
    Arrow fuhr es durch Mark und Bein, denn während sie sich noch immer unbehaglich umgesehen hatte, war ihr vollkommen entfallen, dass Perchta sich bereits in ihrer Nähe aufhielt. Wie von Zauberhand löste sich die Frau aus dem Schatten eines toten Baumes, als wäre sie eins mit ihm gewesen.
    „Die Truppen der Túatha Dé Danann sind dir auf den Fersen und schrecken auch nicht davor zurück, dich vor den Toren meines Reiches zu erwarten.“
    „Aber ich dachte, dass sie mir in Begleitung der Banshees nichts anhaben können“, stammelte Arrow, die noch immer darum rang, ihre Fassung zurückzuerhalten.
    „Davon gehen wir bisher aus. Doch wir müssen vorsichtig sein und dürfen unsere Feinde nicht unterschätzen. Es gibt fast immer Mittel und Wege, das Unmögliche irgendwann doch möglich zu machen. Und nach allem, was ich in meinem unerträglich langen Dasein schon erlebt habe, überlasse ich nichts dem Zufall. Er ist ein heimtückischer Übeltäter und wer sich auf ihn verlässt, ist ein Narr.“
    Hinter Frau Perchta huschte eine dunkle Gestalt von Baum zu Baum, die Augen stets auf sie gerichtet. Arrow zuckte zusammen, denn dem Aussehen nach kam es Annes Beschreibung des Dämmerdämons verflixt nahe.
    „Beachte ihn nicht“, sagte Perchta, die auch ohne sich umzudrehen wusste, was Arrows Aufmerksamkeit erregte.

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