Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
das Skelett noch immer saß. „Schließlich bist du aus anderen Gründen hier.“
Skeptisch kam Arrow der Aufforderung nach und setzte sich auf einen Stuhl, der nach ihrem Ermessen am weitesten von dem des Skeletts entfernt war. Wenige Augenblicke später trafen auch ein halbes Dutzend Perchten ein, unter ihnen der General. Mit ihnen fühlte sie sich gleich behaglicher, denn das Skelett zuckte bei ihrem Anblick zusammen und war in ihrer Gegenwart so ängstlich, dass ihm sogar der Appetit verging.
„Wir werden dein Volk umsiedeln“, sagte Frau Perchta, ohne weitere Zeit verstreichen zu lassen.
„Welchen Zweck verfolgt Ihr damit?“, fragte Arrow geschäftig.
„Sie müssen an einen anderen Ort gebracht werden, und zwar an einen, an dem sie weder den Gefahren des Holunderwaldes ausgesetzt sind, noch an dem sie eine Gefahr für andere darstellen. Es ist an der Zeit, dass sie sich und ihre Absichten beweisen und, sollten sie erfolgreich sein, sie wieder mit ihren Seelen zu vereinen.“
„Und wisst Ihr auch schon, welcher Ort dafür am besten geeignet ist?“
„Nebulae Hall“, entgegnete Frau Gaude.
„Nebulae Hall?“, wiederholte Arrow skeptisch. „Ich halte das für keine so gute Idee, und wenn ihr erst gesehen habt, in welchem Zustand es ist, werdet ihr mir zustimmen.“
„Wir haben uns bereits ein Bild davon gemacht und sind der Ansicht, dass es unseren Zwecken dienlich ist.“
„Aber woher ...“, stammelte Arrow.
„Wir sind schon einmal dort gewesen“, erwiderte Frau Gaude. „Du erinnerst dich vielleicht. Für gewöhnlich ist der Weg dorthin geheim, doch der Zauber verliert seine Wirkung bei jenen, die ihn bereits kennen.“
Arrow zögerte. Sie wünschte sich, wenigstens ein halbes Dutzend Gründe aufzählen zu können, die es rechtfertigten, sich nach einem anderen Ort umzusehen. Doch je länger sie überlegte, desto mehr sprach für diese Auswahl. Und als sie schließlich erkannte, wie ernst es den beiden Frauen mit diesem Vorhaben war, beschloss sie, ihnen geradeheraus die Wahrheit zu sagen.
„Nebulae Hall ist schon einmal ein Zufluchtsort für unzählige Wesen, Kreaturen und Personen, die mir nahestanden und es zum Teil noch immer tun, gewesen. Doch letzten Endes hat es sich als Gefängnis entpuppt, deren Insassen von einem schrecklichen Schicksal ereilt wurden.“
„Wieder einmal scheinst du zu vergessen, dass jene, die wir in dieser Nacht mit uns genommen haben, dieses Schicksal auch verdient haben. Wir ziehen niemals los und nehmen wahllos jeden als Beute, der uns in die Quere kommt.“
„Aber wo sind denn nur die vielen Bewohner hin? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie alle ausnahmslos Verbrecher gewesen sein sollen. Bestimmt hat es unter ihnen auch viele Warmherzige gegeben, von denen ich übrigens keinen bei meinen vielen Besuchen dort angetroffen habe.“
„Arrow“, redete Frau Perchta auf sie ein und griff dabei mitfühlend nach ihrer Hand, „ich weiß um den Kummer, der dich noch immer ereilt, wenn du an diese eine bestimmte Nacht zurückdenkst. Und ich verstehe es auch. Doch nach allem, was wir inzwischen wissen, sind unmittelbar nach unserer Jagd andere dort gewesen, die Nebulae Hall in jenen Zustand versetzt haben, in dem du es später vorgefunden hast.“
Arrow zuckte zusammen. „Wie kommt Ihr darauf?“, fragte sie mit zitternder Stimme.
„Es ist, wie die Todsünden es dir bei deiner Reise in die Unterwelt zugetragen haben“, erklärte Frau Gaude. „Dein Volk hat viele Feinde, und sogar voreinander sind sie schon lange nicht mehr sicher.“
„Ihr sprecht von einem Verräter?“
Frau Perchta nickte. „Doch nach allem, was wir inzwischen wissen, könnte es nicht nur einer, sondern hunderte, wenn nicht sogar tausende sein.“
„Aber mein Volk wurde doch selbst seit Jahrhunderten gejagt, weil unsere Feinde der festen Überzeugung waren, dem ewigen Winter nur dann Einhalt gebieten zu können, wenn kein einziger Nyride überlebt. Mit der Rückkehr von Frühling und Sommer haben sie von uns abgelassen. Nach allem, was wir durchgemacht haben, kann ich einfach nicht glauben, dass aus den Gejagten nun plötzlich Jäger werden. Obendrein wüsste ich keinen Grund dafür. Für meine Leute hat die Vereinigung von Geistern und Seelen oberste Priorität.“
„Vielleicht gibt es aber auch etwas viel Wertvolleres, das die Túatha Dé Danann ihnen anzubieten haben, etwas, das eine Vereinigung sinnlos machen oder gar unterbinden
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