Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
fortzog, machtlos. Alles war so ungewiss und vor allem im Untergrund lauerten unberechenbare Gefahren. Nicht selten entdeckten die Zwerge bei ihren Expeditionen Kreaturen, von deren Existenz sie bis dahin noch nicht einmal gewusst haben. Und noch weniger selten waren sie freundlich gesinnt.
Die Reisenden hatten Verständnis für Annes Bedenken, hielten es jedoch für zu gefährlich, Grey mitzunehmen. Unter Tage war es anders als oben. Lauerte an der Oberfläche eine Gefahr, konnte die Eule bestenfalls davonfliegen. Das Reich der Zwerge bestand jedoch lediglich aus Tunneln, oder, was viel verheerender war, Sackgassen. Vermutlich wären sie ohnehin ausreichend darum bemüht, die Reise unbeschadet zu überstehen. Und Greys Anwesenheit stellte nur einen weiteren Risikofaktor dar.
Ebenso verhielt es sich mit den Perseiden. Sie jedoch besaßen einen eigenen, überaus ausgeprägten Willen und ließen sich nicht so einfach übergehen. Immerhin waren sie die Wächter, nicht anders herum. Und vor allem in diesen ungewissen Zeiten wollten sie ihren Schützlingen Tag und Nacht zur Seite stehen. Was das anging, mussten sich die Reisenden beugen.
Während sich die Lichter der gefrosteten Flammen dämpften und damit den Einbruch der Nacht verkündeten, machten sich die Reisenden auf den Weg zum Labyrinth, von wo aus sie mithilfe der Schneewölfe zum Zwergenreich gelangten.
Neben Arrow, Keylam, Dewayne, Neve, Bon und Smitt kamen außerdem auch noch Adam und Emily mit. Wie Anne bereits prophezeit hatte, fürchteten die Schlossbewohner das Kind und bestanden deshalb darauf, sie auch auf der Expedition unter Arrows Aufsicht zu belassen.
Adam mitzunehmen behagte Arrow hingegen gar nicht. Immerhin war im Zusammenhang mit dem Moor von einem Menschenfresser die Rede gewesen, und da Adam als einziger ein solcher war, machte ihn das schon allein aus diesem Grund zur leichten Beute. Hinzu kam, dass er kaum über Kampferfahrung verfügte und auch sonst keine besonderen Fähigkeiten besaß, um sich im Ernstfall verteidigen zu können.
Doch wie es schien, stand ihr Wort gegen das der anderen. Dewayne hatte die Führung übernommen und gab, was das betraf, nichts auf Arrows Bedenken. Adam selbst hatte darum gebeten, der Expedition beiwohnen zu dürfen. Seit Harolds Verschwinden war er zunehmend verschlossener geworden und steckte seine Nase hauptsächlich in Bücher. Dewayne sagte, dass das dadurch von ihm erlangte Wissen möglicherweise für die Reise von Nutzen sein könnte, doch Arrow vermutete, dass er ihn als Köder benutzen wollte.
Der Weg war lang und überwiegend von Schweigen geprägt. Für Arrow schien es eine halbe Ewigkeit her zu sein, dass sie sich zum letzten Mal so weit abseits der gängigen Pfade bewegt hatte.
„Alle sind so still“, bemerkte Emily leise. „Der Ort, zu dem wir wollen, verheißt wohl nichts Gutes?“
„Leider nicht“, entgegnete Arrow. „Trotzdem müssen wir ihn aufsuchen, denn nur dort wächst eine Pflanze, die für uns von größter Wichtigkeit ist. Und diese gilt es zu finden.“
„Dient sie der Heilung?“
„Gewissermaßen. Doch in unserem Fall soll sie kein lebendes Wesen, sondern einen Ort gesunden.“
„Wie auch immer“, erwiderte Emily schulterzuckend. „Solange wir weit genug von diesem Hund entfernt sind, ist mir jede Reise recht.“
„Fürchtest du die Hunde von Frau Gaude auch so sehr?“
„Nicht wirklich, denn sie sind ja nicht als solche geboren worden, sondern besaßen einst eine menschliche Gestalt. Innerlich sind sie auch immer noch menschlich. Manchmal ist es schwierig mitanzusehen, wie sehr Frau Gaude sich die wahre Gestalt ihrer Töchter zurück wünscht.“
„Du weißt, dass Frau Gaude die Mutter der Hunde ist?“
„Natürlich. Im Holunderwald weiß das jeder, doch Mitgefühl haben dort nur die Wenigsten.“
Arrow war erstaunt über Emilys Ansichten und die Art, wie sie redete. Ihre erwachsene Einstellung passte so gar nicht zu ihrer kindlichen Erscheinung. Doch es gefiel ihr, sich mit dem Mädchen zu unterhalten. Von Keylam nämlich mal ganz abgesehen war sie die Einzige, die ihr nicht aus dem Weg ging.
„Woher kommt deine Angst vor Hunden?“
„Großmutter hatte einst einen. Ich glaube, er konnte Kinder nicht ausstehen. Deshalb hat er mich wohl irgendwann gebissen. Sie hat ihn daraufhin weggebracht und ich habe ihn nie wieder gesehen. Zwei Tage später habe ich hinter dem Haus unter einem der Kastanienbäume ein kleines Stück frisch gegrabene Erde
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