Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
werden kann, und bleibt dann doch auch mal ein Augenblick um die Dinge zu betrachten, passiert wieder etwas. Eine neue Situation, der man sich anpassen muss.“
„Gelten diese Gedanken unserem Volk oder den Túatha Dé Danann?“
„Sie gelten uns“, erwiderte er mit ernstem Blick und schaute ihr dabei tief in die Augen. „Wenn ich auf die vergangenen Monate zurücksehe, dann frage ich mich, was uns die Zukunft bringt, was unserem Kind die Zukunft bringt und ob wir überhaupt eine Zukunft haben.“
Arrow schluckte. Ihr war nicht entgangen, wie sehr ihn das alles belastete, dennoch hatte sie stets versucht, um ein Gespräch in dieser Angelegenheit einen großen Bogen zu machen. Keylam war ihre Stütze, ihr Seelenverwandter und er war derjenige, den sie so sehr liebte wie niemanden zuvor. Genau genommen hätte sie es nicht einmal für möglich gehalten, überhaupt zu solch starken Gefühlen fähig zu sein. Ohne ihn, da war sie sicher, wäre sie nicht dort, wo sie heute war. Und sie wäre auch nicht die Person, die sie heute war, die sich selbst akzeptierte, die selbstbewusst und erhobenen Hauptes für eine Sache kämpfte, an die die wenigsten noch zu glauben den Mut besaßen. Nicht die Prophezeiung, oder die Art, wie sie geboren wurde, machten sie zu etwas Besonderem, sondern einzig und allein Keylam. Und dafür dankte sie ihm zutiefst. Trotzdem sparte sie all die Kraft, die er ihr gab, dafür auf, ihre Sache durchzuziehen. Er selbst blieb dabei oft auf der Strecke, und obwohl sie sich dessen bewusst war, schmerzte es sie zugleich. Denn sie wusste nicht, ob sie bei all der Verantwortung, die ihr auferlegt worden war und die sie auch sich selbst auferlegte, noch die Energie aufbringen konnte, gleichzeitig ihm den Rücken zu stärken. Diese Tatsache zeugte von Egoismus und dafür verabscheute sie sich, was Keylam zu ihrer größten Schwachstelle machte. Sie wusste genau, sollte ihm etwas zustoßen, würde sie es sich nie verzeihen und im selben Augenblick untergehen. Dennoch sah sie keine andere Möglichkeit, sich selbst vor dem eigenen Versagen zu schützen, jedenfalls noch nicht.
„Ich weiß, dass wir in harten Zeiten leben“, erwiderte sie mit zitternder Stimme. „Und ich bin mir auch der Tatsache bewusst, dass ich mit meinen Entscheidungen die ganze Sache nicht einfacher mache. Egal, ob es meine Reise in den Holunderwald oder der Entschluss, Emily ...“
Keylam legte seinen Finger auf ihren Mund und sie verstummte. Behutsam beugte er sich vor und küsste sie liebevoll. Und als er sich wieder löste, strich er ihr beruhigend über den Kopf.
„Du musst dich vor mir nicht erklären. Ich vertraue deinen Entscheidungen. Und ich vertraue dir. Während der vergangenen Nacht sind mir viele Dinge klar geworden. Bisher gibt es nichts aus der Prophezeiung, das sich nicht bewahrheitet hat, und du bist dazu ausersehen, sie zu erfüllen. Die Beweggründe für dein Handeln sind dabei unerheblich, denn es ist dein Schicksal, eine Macht, die dich leitet und irgendwann an einen Punkt bringen wird, an dem sie die Fäden von deinen Gliedern trennt.
Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, war es Liebe auf den ersten Blick. Ich kann nicht leugnen, dass es mir das Herz bricht, wenn ich daran denke, dass wir womöglich nicht dazu bestimmt sind, auf ewig zusammen zu sein. Dennoch würde ich, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte, nichts anders machen. Für mich gibt es keine Alternative. Du bist die eine für mich, ganz egal, wo dein Weg dich hinführt. Und ganz gleich, wie ungewiss er auch sein mag, möchte ich die Zeit mit dir genießen. Die Zweifel, die die anderen plagen, teile ich nicht. Ich werde dir zur Seite stehen, was immer auch passieren mag.“
Arrows Augen leuchteten. Sie bemühte sich, ihre Tränen zurückzuhalten, doch als Keylam sie erneut küsste, konnte sie nicht anders, als sich ihren Gefühlen hinzugeben. Und plötzlich wusste sie, dass nicht nur die Prophezeiung, sondern auch er ihr Schicksal war.
Das Moor der Toten
Als sie am Abend aufbrachen, verabschiedete Arrow sich mit einem liebevollen Kuss von ihrem Sohn, der friedlich in Annes Armen schlummerte. Bis zu ihrer Rückkehr würden er und Juna in ihrer Obhut bleiben.
Gleichzeitig wollte Anne ihnen Grey mit auf den Weg geben. Die Eule teilte eine gewisse Verbindung mit ihr und lieh ihr von Zeit zu Zeit Augen und Ohren. Zu wissen, wie es den anderen auf ihrer Reise erging, beruhigte sie. Schließlich fühlte sie sich jedes Mal, wenn einer von ihnen
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