Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Skelett.“
    „Ja“, entgegnete Arrow zögerlich. „Und irgendwie erweckt der Kerl so gar nicht den Eindruck, ein Menschenfresser zu sein. Es scheint mir sehr viel wahrscheinlicher, dass er schon seit einer ganzen Weile überhaupt keine Nahrung mehr zu sich genommen hat.“
    „Denkst du, dass an der Sache etwas faul ist?“
    Sie zuckte mit den Schultern. „Auf jeden Fall halte ich es für möglich, dass der Puka doch die Wahrheit gesprochen hat und wir uns vielleicht auf eine Überraschung gefasst machen sollten.“
    Plötzlich sprang Smitt hinter seinem Stalagmiten hervor und eilte mit Kampfgebrüll auf den Henker zu, der sich nun blitzschnell von seinem Sitzplatz erhob.
    „Offensichtlich war dies das Zeichen zum Angriff“, murmelte Arrow wenig begeistert, woraufhin sie und Neve ihm zu Hilfe eilten.
    Adam und Emily folgten ihnen nur wenige Schritte und suchten sich dann einen Platz, von dem aus sie die ganze Sache besser beobachten konnten.
    Bon, Keylam und Dewayne waren ebenfalls schon zur Stelle, um den Henker den Garaus zu machen. Wie sich jedoch herausstellte, hatte er seine Angreifer gekonnt getäuscht, denn plötzlich bewegte er sich gar nicht mehr wie der gebrechliche alte Mann, den er am Karren noch vorgegeben hatte zu sein.
    „Er hat uns reingelegt!“, rief Neve, die Mühe hatte, sich an ihn heran zu pirschen.
    „Natürlich hat er das!“, entgegnete Smitt grimmig. „Wie sonst hätte er all die Toten, die er gerade in das Moor geworfen hat, wohl sonst überwältigen sollen?“
    Während der Henker seine Axt geschickt umher wirbelte und damit seine Angreifer auf Abstand hielt, setzte bei Arrow plötzlich ein stechender Kopfschmerz ein. Ihr Blick trübte sich und nach einem Augenblick konnte sie kaum viel mehr als die Umrisse der anderen erkennen. Gerade noch nahm sie wahr, wie der Henker auf sie zueilte und mit seinem Beil ausholte, als sie plötzlich an der Hüfte gepackt und weggezerrt wurde.
    „Sie ist aus Eisen!“, hörte sie Bon rufen. „Sofort alle zurück!“
    „Aus Eisen?“, fragte Arrow, während ihr Blick langsam wieder klarer wurde und der Kopfschmerz nachließ.
    „Ja“, vernahm sie Keylams Stimme. „Naturgeister reagieren allergisch auf Eisen, schon vergessen? Menschen haben damit keine Probleme. Und da der Henker offensichtlich mal ein Mensch gewesen ist, fällt es ihm auch nicht schwer, davon Gebrauch zu machen.“
    „Na großartig“, erwiderte sie augenrollend. „Und wie können wir ihm das Ding jetzt abnehmen? Wir brauchen diese Axt. Ohne sie kommen wir auch nicht an die Knolle.“
    „Dafür haben wir Adam, schließlich ist er ein Mensch.“
    Arrow entglitten die Gesichtszüge. Verständnislos musterte sie Keylam, der seinen Blick weiterhin auf das Spektakel um den Henker heftete.
    „Soll das etwa heißen, dass ihr davon gewusst habt?“
    „Dewayne hat etwas in der Art vermutet“, entgegnete er mit einer Selbstverständlichkeit, die seine Frau umso wütender machte. Doch bevor sie die Gelegenheit bekam, ihm deshalb eine Szene zu machen, stieß er sie beiseite und sprang gleich darauf in die andere Richtung. Gerade noch bekam Arrow mit, wie der Henker mit seiner Axt den Stalagmiten zertrümmerte, hinter dem sie eben noch gekauert hatten, dann flüchtete sie zu den anderen.
    „Hat jemand einen Plan?“, fragte sie atemlos.
    „Wir müssen den Drahtzieher unschädlich machen“, entgegnete Bon.
    „Welchen Drahtzieher?“
    „So ein Skelett lebt und bewegt sich nicht einfach von allein“, erklärte er. „Im Hintergrund gibt es immer jemanden, der die Fäden zieht, wie einen Magier oder eine Hexe.“
    „Das kann ich mir nicht vorstellen. Erst kürzlich bin ich im Holunderwald auf ein menschliches Skelett getroffen, das auf mich ganz und gar nicht den Eindruck erweckt hat, als würde es von jemandem kontrolliert werden.“
    „Das mag sein, doch selbst in Frau Perchtas Reich sind es Hexen, die einen Geist auf magische Weise möglichst lange an seine sterblichen Überreste binden, damit sie ihn weiter quälen und bestrafen können. Soweit ich erkennen konnte, wird das Ding da hinten keineswegs mehr von seinem mentalen Gegenstück bewohnt. Es ist eine Marionette.“
    „Arrow“, meldete sich plötzlich Emily zu Wort. „Ich glaube, da vorne im Wasser hat sich gerade etwas bewegt.“
    Arrow und Neve wandten sich dem Moor zu und als tatsächlich ein großer Schatten unter der Oberfläche seine Bahnen zog, dämmerte es ihnen. Doch bevor sie flüchten konnten, schnellte