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Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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ihren Vater und sein Gegenstück. Die ganze Zeit über hatte sie sich davor gefürchtet, ihm kein ausgefülltes Leben beschert zu haben und geglaubt, dass das der Grund für seinen Selbstmord gewesen war. In gewisser Weise traf das auch zu, doch es war keineswegs so, dass er sie nicht geliebt oder sie etwas falsch gemacht hatte. Ihm hatte etwas gefehlt, etwas, das ihn vollkommen machte, das fehlende Stück, das sich durch nichts ersetzen ließ.
    Sie schaute auf und im selben Moment wandte sich der Percht um und blickte ihr in die Augen. In diesem Augenblick begriff sie, was damals wirklich geschehen und dass es dabei nie um sie gegangen war. Zwar hatte sie es schon immer gewusst, doch es endlich auch zu begreifen fühlte sich wie eine neue Wahrheit an.
    „Ich glaube, ich werde jetzt zu Bett gehen“, murmelte Arrow und stand auf. Kaum, dass sie die Eingangshalle verlassen hatte, wandte sie sich noch einmal um.
    „Elon?“, sagte sie mit leuchtenden Augen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie sich auch diese Fragen stellt.“
    Elon musterte sie verwirrt, doch dann begann sie zu lächeln und dieses Mal war es aufrichtig. Sie erkannte, dass plötzlich etwas mit Arrow geschehen war und sie es ernst meinte.
    „Ich denke, dass ich mich dann jetzt auch schlafen lege“, erwiderte sie zuversichtlich.

    Arrow war aufgeregt, als sie den Korridor entlang ging, doch sie wusste, dass dies der richtige Moment war. Warten kam nicht infrage. Wozu auch? Sie konnte ohnehin nicht schlafen und nun war sie so entschlossen wie schon lange nicht mehr. Doch obwohl sie sicher war, dass sie nun nichts und niemand mehr aufhalten können würde, hielt sie dennoch wenige Schritte vor der Tür inne.
    „Bon?“, sagte sie erstaunt.
    „Ich dachte, du möchtest bei diesem wichtigen Augenblick vielleicht nicht allein sein“, entgegnete er lächelnd, das Feuer in ihren Augen wohl sehend.
    Sie überlegte. War das wirklich richtig? Genau genommen war sie noch nie der Typ gewesen, der solche wichtigen und persönlichen Momente gern mit jemand anderem teilte. Sie zog es vor, dabei allein zu sein, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Doch dieses Mal war es anders.
    „Gehst du vor oder soll ich?“, fragte sie entschlossen.
    „Bitte nach dir.“
    Die Tür öffnete sich beinahe lautlos. Sie knarrte nicht und es folgten auch sonst keine unheilvollen Geräusche.
    Nie zuvor hatte Arrow dieses Zimmer betreten, doch es fühlte sich an, als wäre es das Tor zu einer anderen Welt. Die Pflanzen, die diesen Raum einst geziert hatten, waren vertrocknet, doch in Form und Farbe so gut erhalten, dass es schien, als schliefen sie nur. Vor dem Fenster befand sich ein großer Tisch mit Bleistiften und einem Stapel Papier darauf, und weil sie wusste, dass ihr Vater in seiner freien Zeit gerne und viel zeichnete, marschierte sie ohne Scheu darauf zu.
    „Das ist unser Haus in Elm Tree“, flüsterte sie gerührt, als sie die Bilder durchsah. „Ich habe nie mitbekommen, dass er davon Zeichnungen angefertigt hat. Die Treppe, die Türen und sogar die Kamine, es stimmt alles genau überein, bis ins kleinste Detail.“
    Während sie weiter blätterte, wurden die Erinnerungen beinahe lebendig. Auf einer Zeichnung war das Schaukelpferd, das er ihr einst zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte. Seit sie denken konnte, hatte sie Pferde geliebt. So oft hatte ihr Vater sie für sie zeichnen müssen, mal schwarz, mal weiß, mal springend, mal liegend. Er war ein so guter Zeichner gewesen. Was immer er im Kopf hatte, konnte er auf ein Blatt Papier übertragen. Arrow schluckte. Alles, was diese Bilder zeigten, war so unfassbar schön, dass es sie zu Tränen rührte. Es brachte sie in eine Zeit zurück, in der sie sich geborgen und frei gefühlt hatte. Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen. Sie hatte eine so schöne Kindheit gehabt und sie war dankbar, dass sie das alles hatte erleben dürfen.
    Behutsam, als wäre es ein kostbarer Schatz, legte sie die Zeichnungen beiseite. Beinahe sprudelte ihr Herz vor Freude über, als sie auf dem Tisch eine grüne Mappe entdeckte, die ihr sehr bekannt vorkam. Bevor sie sie öffnete, setzte sie sich auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand. Ihre Hände zitterten, als sie den Deckel aufklappte und genau das vorfand, was sie erwartet hatte.
    „Was ist das denn?“, fragte Bon stirnrunzelnd. „Eine schwangere Ziege?“
    „Nein“, entgegnete sie schluchzend. „Das sind meine ersten Versuche, ein Pferd zu zeichnen. Ich weiß

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