Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
Vom Netzwerk:
Natürlich wusste sie, dass ihre Angst vor Riesen gewissermaßen absurd war. Und sie wusste auch, dass es nichts mit den Exemplaren zu tun hatte, denen sie bisher begegnet war. Ihre Furcht vor übergroßen Geschöpfen war schon immer da gewesen. Aber musste man unbedingt nach den Ursachen forschen? In ihren Augen war das absolut unnötig. Jeder fürchtete sich vor irgendwas und immer war die Angst unterschiedlich stark ausgeprägt. Warum also diese Erbsenzählerei? Im Moment hatte sie wirklich wichtigere Dinge zu tun, und eines davon war, eine andere Angst zu überwinden.

Eine von ihnen

    „Und du willst wirklich allein in den Wald gehen?“, fragte Elon argwöhnisch.
    „Die Perchten werden sich in meiner Nähe aufhalten“, versuchte Arrow, sie zu beruhigen. „Davon abgesehen bin ich überzeugt, dass sie mir nichts tun werden.“
    „Wie kannst du das wissen? Vielleicht warten sie nur auf den Moment, in dem sie dich allein erwischen.“
    „Vielleicht tun sie das aber auch nicht“, entgegnete sie entschlossen. „Alles könnte passieren. Doch was wäre die Alternative? Soll ich hier warten, bis ich schwarz werde?“
    „Aber ich dachte, du traust ihnen nicht?“
    „Dinge ändern sich manchmal“, stammelte sie. „Und nun habe ich ein paar Nächte darüber geschlafen und eine andere Meinung. Schließlich muss eine Seite den Anfang machen.“
    Was für ein dummes Argument, dachte Arrow und wusste sehr wohl, wie bizarr ihr Sinneswandel auf die anderen wirken musste. Zu gerne hätte sie ihnen von ihrer Begegnung mit Elaine erzählt, aber sie durfte es nicht. Immerhin machte es sich nun doch bezahlt, dass sie hier das Sagen hatte, denn als Anführer traf man lediglich Entscheidungen und delegierte. Erklären musste man nichts, auch wenn das vielleicht nicht unbedingt zur Beliebtheit beitrug.
    Mit einem Schwung hob Arrow ihre Tasche über die Schulter und ging, ohne sich zu verabschieden oder einen Blick zurückzuwerfen, die lange, steinerne Treppe hinunter. Unten angekommen, entließ sie zum ersten Mal ihren Perseiden aus dem Medaillon, der sich sogleich wieder als Rappe zeigte. ,Geschwind stieg sie auf seinen Rücken und ließ sich ohne zu zögern von ihm davon tragen.
    Je näher sie dem Wald kam, desto matschiger wurde der Boden. Der trockengelegte Pfad, der vom Schloss dorthin führte, endete am Waldrand, was die Sache umso unbehaglicher machte. Es war, als befände sich ein unsichtbares Schild an der Grenze, auf dem geschrieben stand, dass man lieber umkehren sollte, denn der Wald, der augenscheinlich tot war, führte hinter der Fassade ein unheilvolles Eigenleben. Doch Arrow hatte keine Wahl. Würde sie jetzt umkehren und dabei von jemandem gesehen werden, wäre das ihr Ende. Dann würde sie jeden Funken von Respekt verlieren und hätte keine Chance, das jemals wieder gerade zu biegen. Doch es wäre noch viel verheerender, denn es bedeutete, dass sich jemand anderes finden lassen müsste, der den Mut besaß, zu vollenden, was sie begonnen hatte. Und wie groß war wohl die Möglichkeit, dass das passierte, wenn es doch schon während der letzten eintausend Jahre nicht geschehen war? So oder so war es, wie sie es Bon gesagt hatte: Entweder sie erreichte das Ziel, das sie sich vorgenommen hatte, oder aber sie würde damit untergehen.
    Der Wald wirkte so gespenstisch, dass sie erneut von der Vorstellung heimgesucht wurde, die Schatten besäßen ein Eigenleben. Vor allem jedoch die Tatsache, dass sie nicht halb so viel Mut besaß, wie sie es den anderen gegenüber vorgegeben hatte, machte es umso schwieriger. Abgesehen davon, dass der matschige Boden unter Whispers Hufen quietschte, herrschte Totenstille. Eine gewisse Ironie lag darin, denn es hörte sich an, als würde sich das Schicksal in dieser ernsten Situation über sie lustig machen, was umso beunruhigender war, wenn man bedachte, dass sie mit dem Schicksal ohnehin auf Kriegsfuß stand. Sie hasste die Vorstellung von einer höheren Macht, die über ihr Gelingen oder Scheitern entschied. Wenn es so etwas gäbe, machte es keinen Sinn, sich noch um die Zukunft zu sorgen. Warum sich also den Kopf zerbrechen, wenn man ja doch nichts ändern konnte?
    Arrow gab sich alle Mühe, selbstbewusst und zuversichtlich zu wirken, doch hätte sie die Wahl, würde sie lieber des Nachts durch einen gewöhnlichen Wald reiten, in dem der Wind die Blätter der Bäume unheilvoll rascheln ließ, Eulen durch ihre Rufe verkündeten, dass sie genau sahen, was sich in jeder Krone,

Weitere Kostenlose Bücher