Sommerstueck
Polizei erlaubt.
Oder das war einer von den Oberschlauen, gab Ewald Wendt, Tischler aus Pommern, zu bedenken. Einer, der ganz was Apartes gesucht hat. Bei Burmeister Kaninchen klaun, hat der vielleicht gedacht – da kommt keiner drüber.
Kann angehn, bestätigte Uwe Potteck. – Wir allesamt, dachte Jenny, sehen eben von klein auf zu viele psychologische Krimis.
Jenny verstand, daß Paul Mackowiak sich seine Pointen nicht durch Motivforschung verderben lassen konnte. Ach wat, sagte er verächtlich. Ein primitiven Kierl is dat doch gewesen, ein ganz primitiven Kierl. Dem ist das doch um gar nichts weiter gegangen als um Masse. (Lebendige Kaninchen? flüsterte Littelmary Jenny ins Ohr. – Lebendige. – Aber im Sack? Schrein die nicht? – Kaninchen schrein nicht. – Aber findste das nicht gemein? – Nach Gemeinheit kann ein Dieb nicht gehn, Mary. Das war der neu und schwer zu fassen.) Man bloß gut, daß der Burmeister nach dem Bunten Abend beim Kleintierzüchterverband – das wird gut und gerne auf Mitternacht zugegangen sein – so eine Ahnung kriegte und nach seinen Tieren geguckt hat. Tiere ist gut! rief Uwe Potteck frohlockend, denn nun kam es ja: Nicht die Tiere, nur noch die leeren Buchten hatteWalter Burmeister vorgefunden, während das Geräusch eines Motorrads sich entfernte. – Erfunden! dachte Jenny entzückt. Das Motorradgeräusch ist erfunden. Das hat sich entweder Burmeister selber oder vor unseren Augen Paule Mackowiak ausgedacht. Die drei Männer ergingen sich in Phantasien, was passiert wäre, wenn der Burmeister den Dieb auf frischer Tat ertappt hätte. Aber, rief Littelmary angstvoll, dann hätte der Dieb den doch totgeschossen. Nur kurz konnten sie sich damit aufhalten, Littelmary den Unterschied zwischen einem Dieb und einem Mörder zu erklären, weil es jetzt darum ging, den genialen Geistesblitz des Walter Burmeister herauszuarbeiten. Wirklich, wie das in so einem Kopf manchmal zusammenkam! Da liegt der nun schlaflos im Bette und simmeliert und simmeliert, was der Halunke mit seinen Rassekaninchen bloß anfangen wird. Einem Züchter kann er sie nicht anbieten, jeder weit und breit erkennt die Marke von Burmeister, die die Kaninchen im Ohr haben. Also gehts ums Fleisch und um die Felle. Da, sagte Paul Mackowiak, als er soweit gekommen war, ist er dir wie ein wilder Eber aus dem Bett gesprungen, ran ans Telefon und mitten in der Nacht die Kripo angerufen. – Die muß ja immer besetzt sein, warf Uwe Potteck belehrend dazwischen. – Aber daß er den Kerl genau richtig eingeschätzt hat. Daß der wirklich am nächsten Morgen mit zwei Körben voll Stallhasen bei der Kaninchenaufkaufstelle erscheint, wo aber ein Kriminaler in Verkleidung Dienst tut. (»Ein Kriminaler in Verkleidung«! Jenny war glücklich.) Und daß natürlich auch unser Walter Burmeister hinter einem Mauervorsprung vorkommt, dem kleinen mickrigen Menschen seine schwere Hand auf die Schulter legtund ganz ruhig – das hat er drauf, der Walter! –, arschruhig zu dem Dieb sagt: Na Meister. Meine Kaninchen verkaufen, das wolln wir doch mal lieber bleiben lassen.
Täterätä! Vorhang! Und kein Wort weiter. Ewald Wendt fragte sich, ob der Mensch nicht versucht hätte, auszureißen, worauf Uwe Potteck ihm erklären mußte, daß in solchen Fällen natürlich der ganze Häuserblock umstellt war. (»Umstellt!«) Ellen fing an, abzuräumen, Jan fütterte den Hund Lux, der die ganze Zeit über schlaff und reglos zu seinen Füßen gelegen hatte, mit den Wurstresten, die Männer standen auf, aber Littelmary mußte doch noch fragen, ob die Kaninchen tot oder lebendig gewesen seien. Lebendig! riefen Ellen und Jenny gleichzeitig, und Ewald Wendt lüftete seine Mütze und meinte: Tja, wie mans nimmt!, und Uwe Potteck fing an, mit Paul Mackowiak über die Hitze zu reden. Man ging auseinander. Von der Küche her hörte Ellen, wie Jenny Littelmary auseinandersetzte, warum Ewald Wendts Oberkopf weiß, sein Unterkopf dagegen krebsrot war.
Mit ohrenbetäubendem Lärm wendeten die Mähdrescher zum letztenmal am Feldrand. Wodurch sich nur das Vorurteil hält, die Leute seien, je weiter nördlich um so mehr, schweigsam und unzugänglich, besonders die Männer. Dabei tun sie, scheint es manchmal, nichts lieber, als Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen. Allerdings gibt es Grenzen, die man strikt beachten muß. Nie hätte uns zum Beispiel Ewald Wendt, so gut wir ihn kannten, ein Sterbenswort über denjenigen seiner fünf Söhne erzählt, der
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