Sommerzeit
weiter, der ersehnte Durchbruch blieb aus. Noch immer befand der Täter sich auf freiem Fuß.
Die Kollegen von der Wirtschaftskriminalität hatten bei ihren Untersuchungen über Slite Bygg festgestellt, dass Peter Bovide sehr viel mehr Aufträge angenommen hatte, als er mit seinen Angestellten bewältigen konnte. Der Verdacht auf Schwarzarbeit wurde dadurch gestärkt. Die Firma war derzeit an mehreren Projekten beteiligt: die größten waren der Villenbau auf Furillen, der in Stenkyrkehuk und die Renovierung des Restaurants auf dem Campingplatz in Åminne.
Knutas beschloss, sich alle drei Baustellen anzusehen. Er hoffte, Bauarbeiter zu finden, die bereit waren, mit ihm zu reden. Da er es nicht eilig hatte und keine Aufmerksamkeit erregen wollte, nahm er seinen eigenen Wagen, den alten Mercedes. Eigentlich war der schon längst schrottreif, aber Knutas konnte sich nicht von ihm trennen, so sehr Line auch darauf drängte. Am Ende hatte sie sich ein eigenes Auto gekauft. Er war überrascht gewesen, als der nagelneue Toyota eines Abends in ihrer Auffahrt gestanden hatte, als er von der Arbeit
kam, aber er konnte ihr eigentlich keinen Vorwurf machen.
Das schöne Wetter hielt zur Freude der Sommergäste an. Die Sonne schien sich auf Dauer über Gotland eingerichtet zu haben, und an den Badestränden wimmelte es nur so von Menschen.
Knutas hatte die Stadt bald hinter sich gelassen, und noch immer konnte er sich über die gotländische Idylle freuen, durch die er jetzt fuhr. Wohlgenährtes Vieh graste auf den Weiden der Bauernhöfe, an denen er vorbeifuhr, die Straßenränder waren mit leuchtendrotem Mohn und blauer Zichorie geschmückt. Hier und dort glitzerte in der Ferne das Meer. Wogende Kornfelder und kreideweiße Kirchen. Er liebte seine Heimatinsel und konnte sich einfach nicht vorstellen, von hier wegzugehen. Knutas hatte sein ganzes Leben auf Gotland verbracht. Zu seinem Glück war Line bereit gewesen, herzuziehen, wenn er ganz ehrlich war, dann bezweifelte er, dass er dasselbe für sie getan hätte.
Auf dem Weg nach Slite rief er im Krankenhaus an, um sich nach Vendela Bovides Befinden zu erkundigen. Sie müsse noch einige Tage dort bleiben, meinte der Arzt. Die gebrochene Rippe verursache ihr arge Schmerzen, aber ansonsten habe sie nur äußerliche Verletzungen. Die Männer, die sie misshandelt hatten, hatten ihr vermutlich nur Angst einjagen wollen. Knutas war immer noch aufgebracht, wenn er daran dachte, wie sie ausgesehen hatte, als man sie fand. Er konnte nicht begreifen, wie Männer es fertigbrachten, Frauen zu schlagen.
Er beschloss, auf dem Bauplatz auf Furillen anzufangen. Er rechnete zwar nicht damit, sonntags dort jemanden anzutreffen, aber man konnte ja nie wissen.
Furillen war eine karge und einsame Insel, fünfhundert Hektar groß, vor Gotlands Nordostküste gelegen. Die Landschaft war abwechslungsreich: dichter Wald, Sand-und Steinstrände, Felsen, Dünen, Basaltsäulen und Heide. Dort hatte früher ein großer Kalksteinbruch gelegen, und es gab noch Erinnerungen an diese Zeit, unter anderem in Gestalt eines alten Fabrikgebäudes.
Die Fabrik war von einigen Enthusiasten aus Göteborg in ein Hotel mit Restaurant umgewandelt worden. Die Armee besaß einige Gebäude auf der Insel, ansonsten war Furillen menschenleer. Eine lange Brücke führte oberhalb der alten Fabrik auf die Insel. Er folgte dem staubigen Kiesweg an den Fabrikgebäuden entlang. Es war niemand zu sehen.
Als er oben auf dem Felsen hinter dem Hotel ankam, bot sich ihm ein prachtvoller Ausblick über das Meer und Kyllaj, Gotlands letzten Vorposten im Meer: Eine einsame Ortschaft bei Valleviken, die früher von Schifffahrt und Steinindustrie gelebt hatte, die jetzt aber fast nur Sommergäste beherbergte.
Er entdeckte die Baustelle sofort. Auf einem offenen Bauplatz mit Blick aufs Meer und die Inseln lag ein frisch verputztes Haus, das schon fast fertig zu sein schien: eine aufwendig gebaute zweistöckige Villa mit nach Süden blickenden Panoramafenstern. Eine Doppelgarage war danebengesetzt worden, und eine Steintreppe mit Säulen auf beiden Seiten markierte den Haupteingang. Der Bau wirkte protzig, neureich, hier wollte jemand zeigen, dass er Geld hatte. Knutas hielt vor dem Haus. Auf der Rückseite lag eine weitläufige, mehrstöckige hölzerne Veranda mit Swimmingpool und freiem Blick aufs Meer.
Ein Fischkutter war unterwegs nach Kyllaj, gefolgt von
einer Schar schreiender Möwen, die sich in regelmäßigen Abständen aufs
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