Sommerzeit
unterdrücken.
Er hatte das Telefon in eine andere Richtung geworfen, als der tätowierte Mann beim Klingeln zusammengezuckt war. Zum Glück für Knutas hatte er schon mit Pinkeln angefangen, das gab ihm einen Vorsprung.
Der Mann rief nach seinen Kumpanen, und sofort verteilten die drei sich im Wald. Knutas hielt es für das Sicherste, zum Haus zurückzulaufen. Er hatte Alarm gegeben, die Kollegen waren unterwegs. Er musste nur durchhalten, bis sie eintrafen.
Nach einer Sekunde Zögern verließ er den Wald und lief so schnell er konnte über die Baustelle. Er drückte sich an die Hauswand und schlich weiter, die ganze Zeit die Blicke auf den Wald gerichtet. Der Kies knirschte unter seinen Füßen. Nur noch ein kleines Stück. Sein Mund war wie ausgedörrt, und er versuchte, seinen Atem zu beruhigen.
Er entdeckte eine angelehnte Verandatür. Rasch verschwand er im Wohnzimmer und lief über die Treppe ins Obergeschoss. Nach wenigen Schritten stand er in einer Art Atelier, mit sehr hohen Wänden und einem riesigen
kreisrunden Fenster zum Meer. Plötzlich hörte er, wie unten die Haustür geöffnet wurde. Verdammt. Sie waren zurück.
Er wagte nicht, sich zu rühren. Unten schienen nun zwei der Männer zu stehen. Sie wechselten einige Worte in ihrer fremden Sprache. Sie konnten jederzeit ins obere Geschoss kommen. Knackte der Boden? Sein Gedärm verkrampfte sich, als er unendlich vorsichtig versuchte, einen Fuß zu heben. Er behielt ihn für einige Sekunden in der Luft, ehe er wagte, ihn weiter vor sich abzusetzen. Er verteilte sein Gewicht gleichmäßig auf beide Füße, lautlos steuerte er so auf die Tür zu, die er für die Schlafzimmertür hielt. Das Schlafzimmer hatte einen Balkon, das hatte er sich gemerkt. Vielleicht würde er dort hinunterklettern können.
Unten knallten sie mit den Türen, während sie nach ihm suchten. Er überlegte, wie viel Zeit vergangen war seit seinem Telefonat mit Kihlgård. Zehn Minuten, eine Viertelstunde? Es würde noch eine Weile dauern, bis die Kollegen einträfen. So lange musste er durchhalten.
Plötzlich kam jemand die Treppe hoch. Die Schlafzimmertür war angelehnt, zwei Schritte, dann war er dort. Er hatte richtig getippt, das Zimmer war außerdem mit mehreren Wandschränken mit gläsernen Schiebetüren ausgestattet. Er stieg in einen hinein und zog die Glastür vorsichtig zu. Hoffentlich hatte ihn niemand gehört. Er wartete gespannt ab. Der beißende Geruch von frischer Farbe stieg ihm in die Nase. Er bekam kaum Luft im Schrank, und die Hitze war fast unerträglich. Er atmete in kurzen, flachen Zügen.
Schon nach wenigen Sekunden hörte er, wie rasche Schritte sich näherten. Jemand hatte das Zimmer betreten,
eine Männerstimme murmelte etwas und öffnete die Balkontür. Trampelnde Schritte auf dem Balkon, Mitteilungen an jemanden, der sich offenbar ein Stück entfernt im Freien aufhielt.
Gedanken an Line und die Kinder wirbelten durch seinen Kopf.
Weiter kam Knutas nicht, denn jetzt wurde die Schranktür geöffnet.
D ie Straße war wie ausgestorben. Die Luft flimmerte in der Hitze. Eine ältere Frau ging langsam mit ihrem Hund über die Straße. Ansonsten war in der idyllischen Wohngegend niemand zu sehen. Er hielt vor dem Haus. Der Garten leuchtete vor Blumen, aber das Gras war viel zu hoch. Im vorigen Sommer hatte er es noch gemäht. Damals war Elin gerade neugeboren, und er war der glücklichste Mann der Welt gewesen. Wie lange das her zu sein schien. Wie in einem anderen Leben.
Rasch lief er über den Kiesweg. Der knirschte unter seinen Füßen. Die Gartenmöbel waren aufgestellt, die Hollywoodschaukel aufgebaut, aber seit einer ganzen Weile schien dort niemand mehr gesessen zu haben. Das Haus kam ihm leer vor, obwohl der Kinderwagen im Windfang stand. War sie doch zu Hause? Vielleicht hatte sie den Kinderwagen nicht mit zum Strand genommen.
Er drückte auf den Klingelknopf und hörte, wie es drinnen läutete. Wartete gespannt. Versuchte, durch das Küchenfenster zu schauen, sah aber niemanden.
Er klingelte noch einmal. Jetzt hörte er eilige Schritte im Haus. Langsam drehte jemand innen den Schlüssel um. Eine Fliege wanderte über das Türblatt. Er starrte
auf das handgemalte Schild: »Hier wohnen Emma, Filip, Sara und Elin.«
Da fehlt ein Name, dachte er.
Endlich öffnete Emma die Tür.
»Hallo«, sagte er.
Wie klein sie aussah, schmal. Sie schien ihn nicht hereinlassen zu wollen.
»Wo ist Elin?«
Er schaute besorgt hinter ihr in den Flur.
»Die
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