Sommerzeit
Deck hinabstürzten. Knutas setzte sich auf einen Sägebock neben der Baustelle und stopfte seine Pfeife. Gab sich Feuer und zog daran. Vor sich sah er Peter Bovides zerschundenen Leichnam und Peters misshandelte Frau. War das das Motiv? Dass Peter Bovides Schwarzarbeitern Geld schuldete? Dann musste es um hohe Summen gehen. Aber deshalb den Schuldner umzubringen war eigentlich wenig sinnvoll. Und dann die Witwe zu misshandeln, schien auch nicht klüger. Vielleicht hatte alles ganz andere Gründe.
Knutas erhob sich und ging zum Haus hinüber. Er schaute durch die Fenster ins Innere und bewunderte den gemauerten Kamin, den mit Natursteinen belegten Boden, ein gefliestes Badezimmer mit Sauna und den Ausgang zur Veranda. Eine hypermoderne Küche, die schon vollständig eingerichtet war. Mosaik, Fliesen und Klinker überall. Er fragte sich, wer hier wohl wohnen würde.
Plötzlich wurde die Stille von einem sich nähernden Motorendröhnen unterbrochen.
Knutas trat an den Rand des Felsens und schaute hinunter. Unten näherte sich ein großer Lieferwagen, der beim Hotel abbog und dann in Richtung Baustelle weiterfuhr.
Knutas fühlte sich unwohl. Er war zwar zu dieser Baustelle gefahren, um mit den Arbeitern zu sprechen, aber es war ja nicht ganz unwahrscheinlich, dass der Mörder eben einer von diesen war. Er war ganz allein, ohne Dienstwaffe, und in einer bedrohlichen Situation hätte er keine Chance. Er verfluchte sich, weil er niemanden mitgenommen hatte. Es war sicher das Klügste, sich zu verstecken und erst einmal abzuwarten. Er schaute sich um – würde er sein Auto noch wegfahren können? Rasch riss er die
Tür auf und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der Weg ging hinter dem Baugrund noch ein Stück weiter.
Mit Mühe und Not konnte er um die Kurve biegen, als im Rückspiegel auch schon die Motorhaube des Lieferwagens auftauchte. Als Knutas außer Sichtweite war, schaltete er den Motor aus und kurbelte das Fenster herunter. Autotüren wurden zugeschlagen, er hörte Stimmen in einer fremden Sprache. Es klang wie Finnisch, nur sanfter. Vielleicht war es Estnisch. Vor Vendela Bovides Haus war schließlich ein Auto mit estnischem Nummernschild gesehen worden. Waren dies die Männer, die sie misshandelt hatten? Knutas’ Nerven waren bis zum Äußersten gespannt.
Vorsichtig öffnete er die Wagentür und stieg aus. Am Waldrand entlang lief er zurück zum Haus und blieb hinter einigen Bäumen und Büschen stehen. Von hier aus hatte er Übersicht über das gesamte Gelände.
Zwei jüngere Männer kamen aus dem Haus, sie trugen etwas, das wie eine Waschmaschine aussah. Ein Dritter wartete beim Lieferwagen und half beim Beladen. Dann verschwanden sie wieder im Haus und kehrten mit einem hohen Edelstahlkühlschrank zurück. Verdammt, dachte Knutas, die räumen ja das Haus aus. Nervös suchte er in seinen Taschen nach seinem Telefon und gab Karins Nummer ein. Fluchte, als ihr Anrufbeantworter sich einschaltete. Versuchte es bei Wittberg. Mit demselben Resultat. War an diesem Sonntag denn kein Mensch zu erreichen? Er wählte die Nummer der Kriminalabteilung. Kihlgård meldete sich auf seine übliche joviale Weise, offenbar hatte er sich gerade etwas Essbares in den Mund gestopft.
»Kihlgård.«
»Hallo, ich bin’s, Knutas.«
»Hallo, Knutte.«
»Ich bin hier auf einer Baustelle, die Peter Bovides Firma betreut. Sie haben auf Furillen eine Luxusvilla gebaut, und jetzt räumt eine Bande hier soeben die Küche aus.«
»Warum zischst du so?«
»Weil ich nur ein paar Meter von ihnen entfernt stehe.«
»Okay. Bist du allein?«
»Ja, leider. Und ich habe auch keine Waffe bei mir, deshalb kann ich nicht eingreifen.«
»Lass das um Himmels willen auch sein. Was sind das da für Leute?«
»Drei junge Typen mit Ringen in den Ohren und Tätowierungen. Ich halte sie für Finnen oder möglicherweise Esten.«
»Wo liegt diese Baustelle, hast du gesagt?«
»Auf Furillen, gleich oberhalb der alten Fabrik, die jetzt ein Hotel ist.«
»Furillen – was ist das denn für ein Ort?«
»Eine Insel, zum Teufel«, fauchte Knutas. »Ich habe nicht vor, dir eine Wegbeschreibung zu servieren. Lass dir das von den anderen erklären, aber ihr müsst ziemlich fix hier sein.«
»Ist doch klar. Bleib, wo du bist, wir fahren sofort los.«
»Nehmt zivile Wagen ohne Sirenen. Und ruft mich an, wenn ihr auf der Brücke zur Insel seid. Ihr müsst auf mein Klarsignal warten, ehe ihr am Hotel vorbeifahrt. Dann seid ihr nämlich von hier
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