Sommerzeit
Er war zwei Wochen zuvor erschossen worden. War er selbst jetzt an der Reihe? Weiter konnte er nicht denken, denn nun reichte der Eindringling ihm die Leitung, die mit dem Zündgerät verbunden werden sollte.
Gab ihm ein Zeichen, die Sprengung auszulösen.
Er suchte in seiner Tasche nach dem Zünder, der nicht größer war als eine Zigarettenpackung. Stellte dann die Verbindung her und drückte ab. Der Lärm war ohrenbetäubend. Der Knall hallte im staubigen, einsamen Steinbruch wider. Die weiß gepuderte Flamme, der dürre Wald, alles zitterte. Eine riesige Staubwolke erhob sich aus dem Krater unter ihnen. Die kleine Hütte war in einen Nebel aus Staub eingeschlossen.
Der Staub stach in die Augen, drang in den Mund und durch die Kleider. Morgan kniff die Augen zusammen, um dem Schlimmsten zu entgehen, und weil er ahnte, was jetzt geschehen würde. Noch immer dröhnten die riesigen Felsblöcke, die sich lösten und mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Boden des Steinbruches polterten.
Der erste Pistolenschuss ertrank im Lärm der Sprengung.
D er Vorarbeiter Kjell Johansson ließ langsam die Hand sinken, die das stumme Funkgerät hielt. Morgan hatte die Sprengung immerhin ausgelöst, wenn auch einige Minuten zu spät. Er verspätete sich sonst nie, aber sicher hatte alles seine Erklärung. Doch dass er sich nicht über Funk meldete, war seltsam. Hatte er sein Funkgerät irgendwo abgelegt? Das war ebenfalls unwahrscheinlich. Sie warteten sicherheitshalber immer fünf, zehn Minuten, nachdem eine Ladung hochgegangen war. Ab und zu lösten sich auch ziemlich lange nach einer Detonation noch Steine.
Etwas stimmte hier nicht. Kjell Johansson hob das Fernglas an die Augen und schaute auf die andere Seite des Kraters, um festzustellen, was sein Kollege dort trieb.
Zuerst sah er nichts. Die Sprenghütte schien leer zu sein, und Morgans Auto stand an derselben Stelle wie zuvor. Er suchte die Umgebung ab und wollte seinen Augen nicht trauen, als er eine dunkel gekleidete Gestalt entdeckte, bei der es sich nicht um Morgan Larsson handeln konnte. Kjell Johansson riss abermals das Funkgerät an sich, hielt das Fernglas aber weiterhin auf die Hütte gerichtet.
»Morgan, zum Teufel. Morgan, was ist los?«
Noch immer keine Antwort.
Kjell Johansson wandte sich an seinen Kollegen auf der anderen Seite des Steinbruchs.
»Irgendwas ist passiert. Morgan antwortet nicht, und irgendein Arsch war drüben in der Sprenghütte. Ich habe ihn eben rauskommen sehen. Wir müssen rüber. Jetzt gleich.«
Als die beiden Männer die andere Seite des Steinbruchs erreichten, wussten sie sofort, dass etwas passiert war. Auf dem Boden lag Morgan Larssons zerbrochenes Funkgerät.
Als sie sich der Hütte näherten, verlangsamten sie ihre Schritte.
Der Anblick, der sich ihnen bot, ließ beide zurückfahren. Morgan Larsson lag auf dem Boden, den Körper in einem seltsamen Winkel gekrümmt. Ihre Blicke wanderten zuerst zu seinem Bauch. Der war übersät von blutigen Schusswunden, auf denen sich in der Hitze bereits Fliegen und andere Insekten sammelten.
K nutas, Karin und Wittberg waren in Richtung Slite unterwegs. Die großen Fabrikgebäude dominierten den Ort auf Gotlands Nordostufer. Der Kalksteinbruch war gigantisch, wie ein riesiger Krater lag er neben der Straße.
Knutas bremste vor dem Eingang zur Fabrik.
Der Hafendirektor der Cementa begleitete sie zu dem Teil des Steinbruchs, wo der Leichnam gefunden worden war.
»Können Sie uns sagen, was Sie bisher wissen?«, bat Knutas, als sie durch die Gittertore auf das Fabrikgelände fuhren.
»Ja, Morgan sollte die Sprengung leiten, und er hatte zwei Kollegen bei sich, die aber auf unterschiedlichen Seiten des Bruches postiert waren, fast einen Kilometer voneinander entfernt.«
»Wie konnten Sie sich da verständigen?«, fragte Karin.
»Über Funk. Sie sollten dafür sorgen, dass niemand während der Sprengung in die Nähe kam. Es werden gewaltige Kräfte entfesselt, wenn sich Tausende Tonnen von Gestein lösen. Unmittelbar vor der Sprengung teilte Morgan mit, er glaube, jemanden bei seiner Hütte gesehen
zu haben, danach hielt er das dann aber wohl für eine Einbildung. Als die Sprengung sich verzögerte, versuchten die Kollegen, ihn per Funk zu erreichen, aber er antwortete nicht. Durch das Fernglas entdeckte dann einer eine Person, die die Hütte verließ und zum Wald hinüberlief.«
»Wie heißt der Kollege, der das gesehen hat, und wo hält er sich jetzt auf?«, fragte Knutas
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