Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommerzeit

Titel: Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
Vom Netzwerk:
Süßwasser, das man gut trinken kann. Dann haben Sie ungefähr die halbe Strecke hinter sich und können Ihre Wasservorräte wieder auffüllen.«
    »Danke, das ist nett von Ihnen. Können Sie mir sonst noch etwas über Morgan Larsson erzählen?«
    »Ja, eins ist mir noch eingefallen: Er hat jedes Mal die Kapelle besucht.«
    »Gibt es auf der Insel eine Kapelle?«, fragte Karin überrascht.
    »Ja, die liegt in der Nähe des Lagers, und wenn Sie diesen Weg hier nehmen, dann kommen Sie daran vorbei. Die ist immer offen. Und wenn Sie heute Abend hingehen wollen, dann gibt es um neun Uhr eine Abendandacht.«
    »Danke.«
    »Wenn Sie mehr Information über die Insel brauchen, dann finden Sie die einen Stock höher in Museum und Bibliothek«, schlug der Aufseher hilfsbereit vor.

    Karin bedankte sich und verließ das Zimmer.
    Sie freute sich schon darauf, in Morgan Larssons Fußstapfen zu wandeln.

Gotska Sandön, in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1985

    D ie Suche nach Tanja wurde die ganze Nacht hindurch fortgesetzt. Das gesamte Lager beteiligte sich an der Suche nach der Verschwundenen. Die Mitglieder des Heimatvereins, die sich gerade auf der Insel aufhielten, hatten etliche Helfer zusammengetrommelt, die auf eigene Faust loslegten. Insgesamt durchkämmten damit an die hundert Personen die Insel. Die Polizei würde eintreffen, sobald es hell war.
    Vera gehörte zu der Gruppe, die auf der Westseite suchte. Sie war wie benommen. Ging mechanisch weiter, starrte auf den Boden, leuchtete mit der Taschenlampe in Felsspalten und Gebüsch. Sie wollte ihre Schwester finden und wollte es auch wieder nicht. Ihre Angst wurde mit jedem Schritt schlimmer. Oleg und Sabine gingen Hand in Hand ein Dutzend Meter vor ihr und suchten Trost und Stütze beieinander. Vera wurde ausgeschlossen. Die Eltern schienen sie nicht zu sehen, nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden zu wollen. Vera litt unter dieser Ungerechtigkeit. Als ob alles ihre Schuld wäre. Die Eltern bestraften sie, indem sie sich in ihre Welt einschlossen, zu der Vera keinen Zutritt hatte. Sie waren dermaßen vertieft in die Suche nach ihrer jüngeren Tochter,
dass sie die ältere kaum bemerkten. Vera ging tapfer weiter, rief, bis sie heiser war, lief über Waldboden, Strände und Felsen.
    Plötzlich stolperte sie über einen Ast, den sie in ihrer Erschöpfung übersehen hatte. Schluchzte auf, blieb in der Dunkelheit liegen. Schaffte es nicht mehr, aufzustehen. Hatte die schreckliche Ahnung, dass sie ihre Schwester niemals wiedersehen würde. Da konnte sie auch gleich aufgeben. Am liebsten wäre sie geradewegs ins Meer gelaufen, um sich zu ertränken. Einfach zu verschwinden.
    »Are you all right?«
    Der Mann tauchte aus dem Nichts auf und beugte sich über sie. Zuerst fürchtete sie sich, beruhigte sich jedoch aber in der Sekunde, in der sie ihm in die Augen sah.
    »I’m sorry, I don’t understand.«
    »Okay.«
    Er sprach langsam auf Englisch weiter. Er wollte wissen, ob ihr etwas passiert sei, wollte ihr helfen. Er wusste nicht, wer sie war, hielt sie sicher für einen ganz normalen Sommergast, der sich an der Suche nach der Verschwundenen beteiligte. Er half ihr auf die Beine. Sie standen mitten im Wald und waren ganz allein. Die anderen Suchenden waren weitergegangen. Das Mondlicht verbreitete ein bleiches Licht, das zwischen den Bäumen durchsickerte und gespenstische Schatten warf.
    »Hast du dich verletzt?«, fragte er.
    »Nein, das ist nicht so schlimm.«
    Sie wischte sich Erde und Sand von der Kleidung.
    »Ist dir kalt?«
    Sie schüttelte den Kopf.

    »Woher kommst du – aus Deutschland?«
    »Ja, aus Hamburg. Wir sind seit ein paar Tagen hier. Meine Schwester ist verschwunden.«
    Er sagte nichts, sondern legte ihr den Arm um die Schulter.
    »Kannst du weitergehen?«
    »Ja, sicher.«
    Stumm gingen sie nebeneinander her. Er stellte keine Fragen, und dafür war sie dankbar. Sie fühlte sich geborgen, weil jetzt jemand an ihrer Seite war.
    Die Stunden verstrichen, und ab und zu setzten sie sich, um sich auszuruhen. Er hatte Wasser und Kekse im Rucksack. Die Sonne ging auf, und es war an der Zeit, ins Lager zurückzukehren.
    Als sie dort eintrafen, waren die Suchenden aus allen Richtungen zusammengeströmt. Mehrere Polizeibeamte waren mit angeleinten Hunden eingetroffen und organisierten jetzt die nächste Suchaktion. Oleg und Sabine waren nicht zu sehen.
    »Du brauchst Ruhe«, sagte Veras neuer Freund. »In welcher Hütte wohnt ihr?«
    »Dahin will ich

Weitere Kostenlose Bücher