Sommerzeit
Karin wurde von Ruhe erfüllt und vergaß fast den tragischen Grund, der sie hergeführt hatte. Der Strand war mindestens vierzig Meter breit, der Sand glühte im Licht der Nachmittagssonne. Ein Stück weiter draußen ankerten einige Segelboote, und am Strand konnte sie einzelne Menschen sehen, aber die Entfernung zwischen ihnen war groß.
Und da reisen die Leute um die halbe Welt, um Strände zu besuchen, die nicht einmal halb so schön sind, dachte Karin. Sie ließ ihr Badetuch in den Sand fallen und lief ins Wasser.
S owie Johan wieder in der Redaktion eintraf, rief er im Pfarramt an. An einem Samstag im August um vier Uhr nachmittags gab es in der Kirche von Fårö noch einen Termin für eine Trauung. Jemand hatte abgesagt. War das ein böses Omen? Er verdrängte diesen Gedanken.
Seit er diese Kirche zum ersten Mal gesehen hatte, wollte er dort heiraten. Und zwar Emma. Und dieses Mal sollte sein Traum endlich wahr werden.
Abends fuhr er hinaus nach Roma. Als er über den Kiesweg auf Emmas Haus zulief, war er zuversichtlich. Er hatte zwanzig rote Rosen gekauft, die er zusammen mit einer Flasche Champagner hinter seinem Rücken versteckte.
Er klingelte und lauschte auf den Klingelton. Doch im Küchenfenster war niemand zu sehen. Wenn sie nur zu Hause war. Er hatte sie nicht vorher anrufen wollen. Hatte sie überraschen wollen, so, wie sie ihn überrascht hatte.
Dann wurde die Tür geöffnet, und da stand sie. In einer grauen Kapuzenjacke und Trainingshose, mit nassen Haaren. Sie sah genauso aus wie bei ihrer ersten Begegnung. Er würde diesen Tag nie vergessen. Als er und der
Fotograf Peter Bylund dieses Haus in Roma besucht hatten, um Emma zu interviewen, die Freundin der am Strand mit einer Axt ermordeten Frau. Beide waren danach ein wenig verliebt gewesen.
Ihr Anblick rührte ihn. Sie kam ihm fast unwirklich vor.
»Hallo.«
Sie sah so froh aus.
»Emma«, sagte er nur.
Umarmte ihren runden, festen Körper, bohrte die Nase in die langen nassen Haare. Dann wich er zurück und schaute ihr tief in die Augen.
»Du musst mir versprechen, auf meine Frage zu antworten. Sonst verschwinde ich sofort wieder.«
»Na gut«, sagte sie verdutzt, aber sie wirkte durchaus nicht besorgt. Nur erwartungsvoll.
»Willst du mich am 19. August in der Kirche von Fårö heiraten, mit Familie, Verwandtschaft, Freunden und allen Kindern als Zeugen? Und ich meine wirklich eine große kirchliche Trauung gefolgt von einem Riesenfest.«
Emma antwortete ohne zu zögern.
»Ja, Johan. Das will ich.«
Er legte die Blumen beiseite und hob Emma hoch. Sie war so leicht! Seit dem Frühjahr hatte sie abgenommen. Er trug sie die Treppe in den ersten Stock hoch. Legte sie ins Bett. Zog ihr die Hose und die graue Kapuzenjacke aus, während er ihre glatte Haut liebkoste. Nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küsste ihren weichen Mund. Sein Mund haftete an ihrem. Der Kuss nahm einfach kein Ende. Sie knöpfte sein Hemd auf, setzte sich auf ihn.
Es war so lange her. Eine Ewigkeit, seit sie sich zuletzt geliebt hatten. Und der Kuss ging immer noch weiter. Sie wollte einfach nicht loslassen. Und er auch nicht.
K arin betrat das Museum, um den Inselaufseher Mattias Bergström zu treffen. Er war Mitte dreißig, hatte einen Bart und eisblaue Augen. Sie hatte ihn bereits telefonisch kontaktiert. Er hatte ein Treffen in seinem Büro vorgeschlagen, wo sie sich ungestört unterhalten könnten. Es war klein und chaotisch, überall lagen Bücher und Papiere herum. Sie setzten sich an seinen überladenen Schreibtisch, und er drückte ihr eine Tasse Kaffee in die Hand, ohne ihr Milch oder Zucker anzubieten.
»Es geht also um den Mord an diesem Mann im Steinbruch von Slite«, sagte er, es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Ja, genau. Er war am Wochenende offenbar hier auf der Insel. Am nächsten Tag wurde er bei der Arbeit erschossen. Wir wollen feststellen, ob er hier jemanden getroffen hat, oder ob etwas passiert sein kann, das zu dem Mord geführt hat.«
»Ach, das ist eine unangenehme Geschichte. Ich habe gestern noch mit ihm gesprochen. Er war schon oft auf der Insel gewesen.«
»Kam er allein her oder mit anderen zusammen?«
»Ich glaube, er war allein.«
»Wissen Sie, wann er zum ersten Mal hier war?«
»Das kann ich feststellen.«
Mattias Bergström erhob sich und öffnete einen Aktenschrank.
»Hier bewahren wir die Listen mit unseren Besuchern auf. Wir sind ein wenig altmodisch.«
Er blätterte umständlich in einem
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