Somnambul Eliza (German Edition)
den
Veranstaltungen des Schulorchesters ihres Gymnasiums nicht mehr besucht.
„Ich habe heute über den ganzen Tag
verteilt Führungen im Leopold-Museum, da eine Kollegin krank geworden ist. Die
letzte dürfte gegen 18.30 Uhr zu Ende sein. Wenn das für den Konzertbesuch
nicht zu spät sein sollte, komme ich gerne mit.“
Auf Wilberts Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, als habe sie soeben eine Verabredung mit
ihm ausgemacht und nicht mit seinem Dienstherrn.
„Darf ich Sie zum Museum chauffieren,
Miss Hoffmann?“
Eliza bedankte sich für sein Angebot,
erklärte aber, dass zuvor Felis auf irgendeine Weise nach Hause gebracht werden
müsse. Ohne Katzenkorb und ohne Valerius magische Wirkung auf das Tier würde
sich das allerdings hinreichend schwierig gestalten. Zunächst musste die Katze
erst einmal gefunden werden. Der Teller mit dem Tartar war leer und keines der
beiden Tiere war mehr in der Küche. Im Speisezimmer hatten sie sich ebenfalls
nicht blicken lassen. Auch in der Bibliothek und im Arbeitszimmer waren sie
nicht. Dann teilten sie sich auf und Eliza schaute im ersten Stock, während
Wilbert im zweiten Stock nachsah. Doch im ersten Stock stand lediglich die Tür
zum Salon offen und weder auf noch unter den Sofas und Sesseln hatten es sich
die beiden Stubentiger gemütlich gemacht. Auch Wilberts Suche blieb erfolglos.
„Wohin führt diese Tür?“ fragte Eliza,
als sie zusammen mit Wilbert in der Empfangshalle am Treppenabsatz stand und
ihr plötzlich eine der vielen Türen auffiel, durch die sie bisher nicht
gegangen war, die aber nun einen Spalt offen stand.
„Dort geht es hinab in den Keller. Zum
Schwimmbad und den Vorrats- und Heizungsräumen“, erklärte Wilbert. „Sie haben
Recht. Da die Tür offensteht, werde ich mal eben nachsehen.“
Eliza wollte ihm folgen, denn das Wort
Schwimmbad hatte sie aufhorchen lassen und die Treppe, die sich hinter der Tür
verbarg sah alles andere, als nach einer muffigen, steilen Kellerstiege aus.
„Bleiben Sie ruhig hier oben, Miss
Hoffmann. Machen Sie es sich noch einen Augenblick in der Bibliothek oder im
Kaminzimmer bequem.“
Eliza blieb einen Moment lang
unschlüssig in der Halle stehen und betrachtete die großen Aquarelle, die
einander gegenüberhingen und deren viele Gesichter sie auf so unterschiedliche
Weise von wohlwollend bis missgünstig zu beobachten schienen. Dann ging sie
Wilbert, einem Impuls folgend, hinterher.
„Ich hatte plötzlich Angst, dass Felis
ins Wasser gefallen sein könnte“, erklärte sie laut, während sie die Treppe
hinabstieg, doch sie erhielt keine Antwort. Offenbar war das große Haus
komplett unterkellert, denn am Ende der Treppe lag zunächst ein extravaganter
quadratischer Raum, der mit dem eindrucksvollen Deckengewölbe, der sakralen
Deckenbeleuchtung und den groben Mauern wie ein verheißungsvolles Entree eines
geheimnisvollen Etablissements wirkte.
Die rote Chaiselongue, die gegenüber der
Treppe arrangiert war, gab dem Raum einen dramatischen Einschlag und Eliza
fühlte sich unwillkürlich an das Landhaus aus Stanley Kubricks Schnitzler-Adaption Eyes Wide Shut erinnert. Von dem Raum gelangte
man in einen außergewöhnlichen Korridor, der nach links und rechts etwa gleich
weit der gesamten Länge des Hauses entlang verlief. Von ihm gingen mehrere
holzvertäfelte Türen ab. Auf den ersten Blick kam sie sich vor, wie in den
Katakomben eines alten Schlosses, denn die rohen Sandsteinmauern wirkten
urtümlich und ein wenig archaisch. Tatsächlich war es hier kühl, aber nicht
feucht oder gar modrig. An den Wänden waren Kerzenhalter angebracht, was einen
besonders altertümlichen Eindruck vermittelte. Aber die Kerzen waren aus und
dennoch war es hier unten hell.
Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte
man, dass das Licht aus geschickt in der Gewölbedecke montierten LED-Strahlern
kam, die den Gang in ein gleichmäßig warmes Licht tauchten. Noch immer hatte
sie Wilbert weder gesehen noch gehört und so wandte sie sich zuerst nach rechts
und drückte versuchsweise die Klinke der einzigen Tür auf der rechten Seite
herunter.
Dahinter befand sich ein eindrucksvoller
Weinkeller mit Regalen, die aus gemauerten Rundbögen bestanden und in denen die
edlen Tropfen aus unsichtbaren Lichtquellen aus dem Inneren der Regale heraus
angestrahlt wurden. In der Mitte des Raumes gab es ein altes Weinfass, das als
Tisch diente sowie vier hohe, hölzerne Barhocker, die darum gruppiert waren.
Aber weder Wilbert noch die Katzen waren
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