Somnambul Eliza (German Edition)
deinen Abend-Führungen bist du immer gleich weg und zu einem Kaffee
oder einem kleinen Bummel hat es schon seit Wochen nicht mehr gereicht“,
richtete Corinna das Wort betont vorwurfsvoll an Eliza und biss gleich darauf
genüsslich in das knusprige Brot.
„Das ist eben so in einer jungen Liebesbeziehung.
Wenn man frisch verliebt ist, dürfen die anderen Dinge auch mal ein wenig zu
kurz kommen“, beantwortete Bianca ihre Frage über den Tisch hinweg.
„Ich weiß nicht, ob so viel Nähe
nicht ein bisschen ungesund ist. Holt er dich immer noch jeden Abend vom Museum
und vom Institut ab?“
Eliza kaute den frischen Rucola zu Ende, dann antwortete sie: „Er arbeitet viel, so
dass wir am Tag nie die Möglichkeit haben, uns zu sehen. Uns bleiben also nur
die Abende und diese Zeit mit mir möchte er eben auskosten.“
„Ich finde das sehr romantisch und auch
völlig natürlich“, strahlte Bianca.
Aber Corinna ließ sich nicht so einfach
beirren: „Bitte versteh mich nicht falsch, Eliza. Aber ich habe ein bisschen
die Befürchtung, dass er dir ein völlig anderes Leben überstülpt. Wenn du eine
Vormittagsführung hast, bist du hundemüde und siehst aus wie der Tod, weil ihr
die Nacht zum Tage macht. Du fährst hier mit Luxuskarosse und Chauffeur vor und
am Abend entführt dich dein Baron in seine Luxusvilla. Das ist doch fast ein
Doppelleben. Wie lange, glaubst du, lässt er dich noch hier arbeiten?“
„Corinna, ich weiß nicht, welchen
Beziehungsratgeber du heute Morgen gefrühstückt hast, aber Valeriu liebt meinen
Job. Er lässt mir grundsätzlich immer die Wahl und die Stunden mit ihm sind mir
ebenso kostbar wie ihm.“
Wieder biss Corinna in ihr Baguette und
während sie noch kaute, warf sie ihren Lockenkopf zurück und fuhr fort:
„Vielleicht habt ihr recht und ich bin einfach zu kritisch und zu
voreingenommen. Eventuell liegt es auch daran, dass ich ihn nicht kenne. Aber
meine Vorstellungen von einem stinkreichen Aristokraten sind irgendwie
klischeebehaftet. Wie hoch ist der Preis, den du für dieses nächtliche
Luxusleben bezahlst?“ Sie nahm einen Schluck Wasser und schob nach: „Ist er
sexueller Natur?“
Bianca schnappte nach Luft und
Eliza ließ ihr Besteck sinken, dann sagte sie: „Ich denke, es gibt einen Preis,
aber den kenne ich bislang noch nicht. Aber sexueller Natur ist er ganz sicher
nicht.“
„Heißt das bloß, dass er keine Sauereien
von dir verlangt oder läuft im Bett tatsächlich überhaupt nichts?“
Biancas große Augen drohten, ihr aus dem
Kopf und geradewegs in den Salat zu fallen und Eliza hätte Corinna für ihre
Direktheit, die sie sonst so sehr an ihr schätzte, erwürgen können. Betont
gelassen entgegnete sie: „Ob du es glaubst oder nicht: Unsere Beziehung ist bis
dato rein platonischer Art.“
Nun war es Corinna, die schlucken
musste, doch Bianca strahlte wieder über beide Backen, klang das hier doch nach
einem hübschen Triumph der romantischen Liebe.
„Wie dem auch sei, erscheint mir diese
Beziehung ein bisschen zu obsessiv und ich fürchte, dass er eine Macht über
dich hat, die eine Frau einem Mann nicht unbedingt zugestehen sollte“, beendete
Corinna ihr Statement. Dann wurde es Zeit, sich in den strömenden Regen zu
begeben und zum Museum hinüberzurennen.
Im Laufe des Nachmittags musste Eliza
noch mehrmals an dieses Gespräch denken. Corinna hatte ja nicht ganz Unrecht.
Hätte man Eliza vor einigen Wochen erzählt, wie sich ihr Leben und ihre
Einstellung unter dem Einfluss dieses Mannes verändern würde, hätte sie das
niemals für möglich gehalten. Aber welche Frau wünschte sich nicht einen Mann
wie Valeriu, der sie mit Aufmerksamkeit überhäufte, der ihr ein Leben in
unvorstellbarem Luxus ermöglichte und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas? Sie
war in ihn verliebt und sie war ihm rettungslos verfallen.
Als Eliza mit ihrer letzten Gruppe
dieses Tages vor Gustav Klimts flirrender und auf eigenartige Weise
gleichermaßen beruhigender und belebender türkisgrüner Landschaftsimpression
vom Attersee stand, überkam sie plötzlich eine Art Hitzewelle und sie hatte das
Gefühl, beobachtet zu werden, was natürlich auch zutraf, denn naturgemäß waren
die Blicke ihrer Zuhörer auf sie gerichtet.
Eliza ließ den Blick ihrerseits über die
Leute schweifen, bis sie auf der anderen Seite des Raumes Valeriu erblickte. Es
war wie ein Déjà-vu und wieder hielt er sich ein wenig abseits und lauschte
dennoch jedem ihrer Worte. Er stand einfach
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