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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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allein der
Musik halber hier waren und sich offenbar nicht am übrigen Klientel störten.
    Dann wurde es Zeit, den Konzertsaal
aufzusuchen. Der Schubert-Saal war der kleinste der drei Säle im Konzerthaus
und zugleich der sympathischste und intimste. Die sonnengelben Wände im
Zusammenspiel mit den weißen und goldenen Details sowie der hellen gewölbten
Decke und der großzügigen Fensterfront schufen bei all der Eleganz und Pracht
eine luftige und freundliche Atmosphäre, die die Besucher nicht erschlug und
erdrückte, sondern entspannt atmen ließ. Der Saal war mit diesen wunderbaren
nostalgischen Klappsesseln bestuhlt, die an ein altes Kino erinnerten. Sie
nahmen am Mittelgang in der dritten Reihe Platz, von wo aus sie einen
fantastischen Blick auf den hochglänzenden schwarzen Flügel hatten, der
imposant, jedoch ein wenig verlassen und auch ein bisschen einschüchternd
mittig auf dem Podium thronte.
    Dann wurde es still und ein untersetzter
Herr betrat zusammen mit einem schlaksigen jungen Asiaten im Frack mit Fliege,
zurückgekämmtem schwarzem Haar und randloser Brille die Bühne. Mit starkem
Wiener Dialekt stellte er den jungen japanischen Ausnahmepianisten vor, der
sich daraufhin verbeugte und am Flügel Platz nahm.
    Dann begann das Konzert.
    Valeriu hatte Eliza erzählt, dass es ein
Solo-Klavierabend mit Stücken des französischen Komponisten Maurice Ravel sein
würde, der um die Jahrhundertwende gewirkt hatte und zusammen mit Claude
Debussy zu den Hauptvertretern der impressionistischen Strömung in der Musik
gehörte.
    Leider waren Eliza beide Herren nur
namentlich ein Begriff und wie sich der Impressionismus in der Musik
niedergeschlagen haben könnte, war ihr auch nicht ganz klar. Also musste sie
sich überraschen lassen und dachte an die luftige, poetische Freilichtmalerei
und den flirrenden, pointilistischen Farbauftrag der impressionistischen Maler,
die in Stimmungen, Licht und Farben schwelgten und dem Betrachter skizzenhafte
Momentaufnahmen von Tages- und Jahreszeiten, von Szenen aus der Natur und
ebenso aus dem pulsierenden Leben der Städte lieferten. Laut Programm würde der
Pianist chronologisch vorgehen und drei zentrale Werke aus Ravels Schaffen zum
Besten geben. Den Anfang machte das etwa fünf Minuten lange Stück Jeux d’eau , das der
Komponist mit einem Régnier -Zitat über einen
lachenden Flussgott überschrieben hatte, wie der junge Japaner äußerst charmant
mit immensen Sprachschwierigkeiten zu erklären versuchte. Schon nach den ersten
Klängen hatte diese magische Musik Eliza in ihren Bann geschlagen und führte
sie weit fort an ferne Gestade.
    Sie sah Claude Monets pastellene Auen
der frühmorgendlichen, nebelverhangenen Seitenarme der Seine bei Givenchy mit
ihren nächtlich verschatteten Ufern und dem milchig verhangenen Horizont vor
sich, durch dessen Dunst sich zaghaft die ersten Sonnenstrahlen Bahn brachen
und alles in ein überirdisches roséfarbenes Licht
tauchten.
    Die Töne verwuchsen sich zu einem
irisierenden Klangteppich, wie sich die Pinselstriche zu einem harmonischen
Farbteppich verdichten und beide bildeten ein gleichermaßen vollkommenes Abbild
des sanft und ruhig dahinfließenden, plätschernden, singenden Wassers im
mystischen, unwirklichen Zwielicht des anbrechenden Tages, der Zeit zwischen
Nacht und Tag, in der alles möglich scheint und in der Phantastik und
Wirklichkeit zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen.
    Dann folgten Ravels Miroirs ,
ein Zyklus von fünf Klavierstücken, dessen Anfang die Noctuelles ,
die Nachtfalter, machten. Es war ein düsteres Stück und wollte man es wiederum
mit einem Gemälde vergleichen, so erinnerte es in seinen ekstatischen Wirbeln
und den spukhaft verhallenden Tönen und unheilvollen Pausen am ehesten an Van
Goghs von Wirbeln und Spiralen durchzogene Spätwerke, deren bedrohliche Krähen
über dem nächtlichen, gewittrischen Weizenfeld auch
die gefiederten Vettern der Protagonisten des nachfolgenden Stückes, der  Oiseaux tristes , der Traurigen Vögel, hätten
sein können.
    Une barque sur l´océan wirkte dagegen
auf Eliza wie ein musikgewordenes Turner-Gemälde. Man meinte das ruhige,
gleichmäßige Wogen des glitzernden Wassers zu vernehmen, das plötzlich von
einer Bö zu imposanten Wellen aufgepeitscht wird, um sich gleich darauf wieder
zu beruhigen und zum harmonischen Gleichmaß zurückzukehren.
    Weniger anfangen konnte Eliza hingegen
mit Alborada del gracioso ,
dem Morgenlied des Narren, das in ihren

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