Somnambul Eliza (German Edition)
Haar zu krümmen, dann
würde ich dich finden und vernichten.“
Valeriu hatte leise und gemessen
gesprochen, doch aus jedem einzelnen seiner Worte sprach tiefste Verachtung und
ein drohender Beiklang, der an das sonore, bedrohliche Knurren einer Raubkatze
erinnerte. Bei dem Wort vernichten war René merklich zusammengezuckt,
doch dann bemühte er sich, schnell zur Maske der Selbstsicherheit
zurückzufinden: „Meinst du nicht, dass du ein bisschen überreagierst? Ein
Museumsbesuch, ein kleiner Plausch unter Freunden, da ist doch nichts dabei, oder?
Sei nicht so spröde und gönn dir und deiner Liebsten auch mal ein bisschen
Spaß.“
Valeriu ließ Eliza los und ging
energisch auf René zu, der sogleich rückwärtsging. Fasziniert beobachtete sie,
wie René vor Valeriu zurückwich, bis ihm die Wand den Weg versperrte. Valeriu
hatte ihn nicht berührt und doch hatte er ihn aus unerfindlichen Gründen mit
seiner reinen Präsenz in die Enge getrieben. Aber das diabolisch überhebliche
Lächeln war auch jetzt nicht aus Renés Gesicht gewichen.
„Wage es nicht, Eliza noch einmal zu
nahe zu kommen“, zischte Valeriu und René schwieg. Sie konnte nicht genau
sehen, was sich zwischen den beiden abspielte, doch nachdem sie einander einen
Moment sehr nah gegenübergestanden hatten, schien sich René kaum mehr auf den
Füßen halten zu können. Es schien ein reines Duell der Blicke gewesen zu sein,
bei dem René Valeriu letztlich unterlegen war. Dann wandte sich Valeriu abrupt
von ihm ab und kehrte zu Eliza zurück. Er legte den Arm um sie und ging mit ihr
auf den Aufzug zu. In der Zeit, in der sie warteten, hatte sich auch René
wieder erholt und war schweigend, doch gewohnt lässigen Schritts, zu ihnen
getreten. Diesmal waren es die beiden Männer, die sich im Fahrstuhl missgünstig
und todernst wie die Kontrahenten eines Duells beim Showdown eines Italowesterns beäugten. Es lag eine immense Spannung in der Luft und
keiner sagte ein Wort.
Erst als Valeriu Eliza die Wagentür
aufhielt, rief René ihnen hämisch mit seinem nun ins Groteske gesteigerten
französischen Akzent hinterher: „Du kannst sie nicht immer bewachen, Valeriu.“
Valeriu holte scharf Luft und schlug die
Wagentür zu. Besorgt beobachtete Eliza durchs Fenster, wie er offensichtlich
mit seiner Wut rang. Doch schließlich gelang es ihm, seinen Zorn zu zügeln, die
Provokation zu ignorieren und er stieg zu ihr in den Wagen.
Erst als er den Motor startete und aufs
Gas trat, löste sich Elizas Beklemmung ein wenig, denn endlich hatte sie das
Gefühl, Renés Bannkreis entflohen zu sein. Sie flüsterte ein leises, aber von
Herzen kommendes „Danke“ und strich über Valerius Handrücken, der den
Schaltknüppel so fest umklammert hielt, dass die feinen Knochen und Sehnen
seiner schönen Hand markant hervortraten. Das kurze Auflachen, das er von sich
gab, klang kein bisschen fröhlich, sondern bitter und gequält.
„Du bedankst dich bei mir? Wo ich dich
doch erst in diese Gefahr gebracht habe? Du solltest mich und meinesgleichen
verachten und mir nicht dankbar sein.“
Eliza runzelte die Stirn: „Was meinst du
mit deinesgleichen ?“
„Du wärest René nie begegnet, er wäre
dir niemals gefährlich geworden.“
Eliza vollendete seinen Gedanken: „Wenn
ich mich nicht in dich verliebt hätte? Das wäre ein schlechter Tausch gewesen.“
Valeriu lächelte und diesmal war es ein
melancholisches, aber liebevolles Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte.
Einen Moment hing Eliza ihren Gedanken
nach. Sie war so erbost gewesen, als René sich und Valeriu in einem Atemzug
genannt hatte. Nun hatte Valeriu das gleiche getan.
„Woher wusstest du es?“ fragte sie unvermittelt.
„Ich weiß es nicht, Liebste. Manchmal
bist du mir unglaublich nah, auch wenn wir nicht zusammen sind. Ich meine dann
zu spüren, wie es dir geht. Mal recht konkret, oft nur ganz diffus. Und vorhin
war es wie eine Angstattacke; mein Herz begann wie wild zu pochen und meine
Kehle war wie zugeschnürt. Ich realisierte nicht sofort, dass es nicht meine
eigene Angst war, sondern deine, die sich auf mich übertrug. Der Rest war
Intuition.“
Es war das erste Mal, dass Eliza das
Gefühl hatte, dass Valeriu in Hinblick auf eines seiner zahlreichen Mysterien
absolut ehrlich zu ihr gewesen war, ohne ihr etwas zu verheimlichen, ihr etwas
vorzuenthalten.
„Hat dich Herr Achleitner einfach so
hineingelassen?“ wollte sie wissen.
„Einfach so wäre wohl etwas übertrieben.
Euer
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