Somnambul Eliza (German Edition)
bist du schon
hier, bei mir, in diesem Raum?“
„Seit heute Morgen“, antwortete sie
wahrheitsgemäß.
Valeriu holte tief Luft.
„Dann hat Wilbert dich also bereits
eingeweiht?“ fragte er und sein Tonfall klang eine Spur schärfer als zuvor.
Eliza schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß
nicht mehr, was ich glauben soll. Sag du es mir. Ich habe dich so oft gebeten,
mir dein Geheimnis anzuvertrauen. Bitte erzähl mir endlich alles.“
„Eliza, du hast schrecklich viel
durchgemacht in den letzten Stunden. Erst hat man dich überfallen und jetzt
bist du schon seit Stunden mit mir in diesem Verließ eingesperrt. Du musst in
einer furchtbaren Verfassung sein. Ich verspreche, ich werde dir all deine
Fragen beantworten, wenn du ausgeruht bist und die letzten Geschehnisse verdaut
hast.“
Seine Stimme klang liebevoll und
aufrichtig, aber wieder schwang dieser Hauch von Autorität mit und für einen
Moment wünschte sich Eliza, seinem Ausweichmanöver erneut nachgeben und in
seine Arme sinken zu können. Doch stattdessen schaute sie ihm unverwandt in
seine bunten, besorgten Augen.
„Es ist lieb von dir, dass du dich um
mich sorgst. Aber dank dir bin ich unverletzt und ich habe die ganze Nacht
geschlafen. Ich bin also ausgeruht genug, um endlich deine Geschichte zu hören.
Man hat mir nur Bruchstücke erzählt und ich habe all diese Bilder hier
gesehen.“ Sie wies auf die Gemälde an den Wänden.
„Ich brauche endlich Klarheit, Valeriu.“
Valeriu war aufgestanden und kehrte ihr
den Rücken zu. Die schwarze Hose und sein weißer, bandagierter Oberkörper
bildeten den größtmöglichen Kontrast. Sie sah, wie er sich unwirsch mit der Hand
durchs Haar fuhr und sie nahm die immense Anspannung seines Körpers wahr. Sie
konnte es kaum ertragen, dass er sich von ihr abgewandt hatte, doch die Kluft
zwischen ihnen schien in diesem Augenblick so groß, dass sie es nicht wagte,
sich ihm zu nähern. Sie saß noch immer auf dem Bettrand und ihre Hände
umklammerten ihre Knie. Schließlich drehte er sich zu ihr um. In seinen Augen
lag eine seltsame Mischung aus Seelenpein und plötzlicher Entschlossenheit.
„Du weißt es längst, Liebste. Nur willst
du es nicht wahrhaben“, erklärte er und seine Stimme klang kalt und schneidend.
Dann wurde sie ein wenig milder: „Ich habe diese Nacht herbeigesehnt und ich
habe mich vor ihr gefürchtet. Ich wusste, dass es irgendwann so weit sein
würde, aber ich konnte den Gedanken daran nicht ertragen, dass du dich vor mir
fürchten, dass du mich hassen würdest.“
Er fixierte sie unverwandt mit diesen
magischen bunten Augen, während er langsam die Mullbandagen entfernte. Eliza
wagte ihren Augen nicht zu trauen, doch alle Wunden waren wie durch Geisterhand
verschwunden. Es waren keine Kratzer, keine Blutergüsse, keine Narben
zurückgeblieben. Seine blass schimmernde Haut war völlig unversehrt, als hätte
der Zweikampf niemals stattgefunden.
„Das ist unmöglich“, flüsterte sie, denn
ihre Stimme versagte ihr fast den Dienst.
„Ich verfüge über bestimmte Gaben,
Eliza, doch der Preis dafür ist hoch.“ Valerius Stimme klang jetzt ganz sanft
und vertraulich. „Die Fähigkeit zur Selbstheilung gehört zweifellos zu den
Vorteilen meiner Existenz.“
Er machte eine Pause und Eliza
fürchtete, er werde es bei dieser Information bewenden lassen.
„Bitte nimm für einen Moment keine
Rücksicht auf meine geistige Gesundheit und hör auf, mir die Dinge in
homöopathischen Dosen beizubringen. Ich kann ertragen, was du mir zu erzählen
hast und lass bitte meine Sorge sein, vor wem ich mich fürchte und wen ich
hasse“, erklärte sie bestimmt.
Valeriu stöhnte erneut auf und aus
seinem aufmerksamen Blick war zu lesen, dass er abzuwägen versuchte, ob sie
dem, was er ihr zu sagen hatte, tatsächlich gewachsen war. Dann schien er seine
Entscheidung gefällt zu haben und er folgte ihrem Rat, bei seinen weiteren
Ausführungen keinerlei psychologische oder anders geartete Rücksichten zu
nehmen.
Die Worte landeten förmlich in einem
Schwall vor ihren Füßen: „Ich altere nicht, meinem Leben sind keine zeitlichen
Grenzen gesetzt. Meine Spezies ist der euren in Kraft, Ausdauer,
Geschwindigkeit und Körperbeherrschung überlegen. Unsere Sinneswahrnehmung ist
schärfer. In all dem ähneln wir eher Raubtieren und unsere Fähigkeiten dienen
allein unserer Bestimmung als Jäger.“
Er machte eine kurze Pause, während der
Eliza versuchte, das Gehörte wenigstens ansatzweise zu
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