Somnambul Eliza (German Edition)
nicht
versprechen. Ich werde dich mein Leben lang lieben. Aber im Gegensatz zu dem
deinen, wird das meine endlich sein.“
Valeriu versiegelte ihre Lippen mit
einem weiteren Kuss und sagte dann: „Du allein wirst die Wahl haben, ob es so
kommen soll oder anders.“
Eliza blickte zu ihm auf: „Wie meinst du
das, die Wahl haben ?“
„Eines Tages wirst du dich für den Tag
oder die Nacht, für die Endlichkeit oder die Ewigkeit, für das menschliche
Dasein oder die ewige Jugend entscheiden. Diese Wahl zu haben ist ein großes
und seltenes Privileg, aber auch eine ebenso schwierige Entscheidung, die, egal
wie sie ausfällt, auch Verzicht bedeutet. Aber du hast noch sehr viel Zeit,
darüber nachzudenken und wenn es soweit ist, werde ich deine Wahl akzeptieren
und den Weg, den du einschlagen willst, an deiner Seite gehen.“
Wieder traten Eliza Tränen in die Augen,
angesichts der Größe, Weisheit und Güte, die aus Valerius Worten sprachen und
wegen der Überwältigung, die sie angesichts dieser unvorstellbaren
Wahlmöglichkeit ergriff.
Dennoch erhielt Valeriu in dieser Nacht
keine Antwort von ihr, schließlich war es auch keine Frage gewesen, die er ihr
gestellt hatte und er schien auch nichts dergleichen zu erwarten. Stattdessen
strich er ihr mit einem sanften, kühlen Finger die Tränen von den Wangen und
sagte leise: „Es gibt keinen Grund, zu weinen, Liebste, und keinen Grund, dir
jetzt und hier den Kopf darüber zu zerbrechen. Du sollst nur wissen, dass ich
alles dafür tun werde, dass du diese Entscheidung frei von Zwängen irgendeiner
Art wirst treffen können, wann auch immer es so weit sein mag.“
Eliza nickte, zum Sprechen fehlte ihr
die Kraft und sie kuschelte sich eng an ihn und als sich ihre Hände ineinander
verwoben, hoffte und wusste sie beinahe, dass er auch ohne Worte verstand, wie
dankbar sie ihm war und wie sehr sie ihn liebte.
Sie
dachte daran, dass man Valeriu nicht die Möglichkeit gegeben hatte, diese große
Entscheidung ohne Zwang zu treffen. Überhaupt hatte ihr dieses Gespräch viel
Stoff zum Nachdenken gegeben. Wollte sie alt und gebrechlich werden, während
ihr Geliebter für alle Zeiten jung und schön bleiben würde? Das Versprechen,
auch in diesem Fall bei ihr zu bleiben, tatenlos zuzusehen, wie sie an seiner
Seite verwelkte, konnte er unmöglich ernst gemeint haben. Sie zweifelte nicht
daran, dass das in diesem Moment tatsächlich seine Überzeugung war, aber wenn
es so weit wäre, würde die Sache anders aussehen. Und aus Liebe zu werden, wie
er? Bisher hatte sie nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass es
für sie die Möglichkeit geben könnte, die Parameter ihrer Existenz zu
verändern, alle Menschheitsträume wahr werden zu lassen – keine Krankheiten,
kein Altern, kein Tod. Und doch stimmte sie diese Aussicht weniger euphorisch,
als vielmehr nachdenklich. Konnte eine Liebe wirklich stark und groß genug sein
für die Ewigkeit? Würde es genügen, einander zu haben, wenn man auf alles
verzichten musste, was das Menschsein ausmachte? Würde sie zusehen können, wie
ihre Angehörigen, ihre Freunde, ihr Zeitalter vergingen? Würde sie auf die
Sonne verzichten können und auf ihre Arbeit? Es war in der Tat eine
Entscheidung von ungeheurer Tragweite und eine, die man nicht von einem Tag auf
den anderen treffen konnte.
Wilbert
war noch immer nicht darüber hinweg, dass er, obwohl nun mit Eliza ein zweites
menschliches Wesen im Haus war, keine Verbündete für seine geliebte Tradition
der englischen Tea Time gefunden hatte. Dennoch hatten sie es sich zur
Gewohnheit gemacht, sich gegen fünf im Kaminzimmer einzufinden, nachdem Eliza
den Nachmittag über gearbeitet hatte und Valeriu aufgestanden war. Eliza trank dann
ihren Kaffee, zu dem Wilbert Teegebäck servierte und sie lasen gemeinsam
Zeitung und besprachen den Tag, respektive die Nacht.
Eliza
erstarrte, als sie die Tageszeitung aufschlug. Unter der Überschrift Anführer
von Straßengang springt in den Tod las sie mit bebender Stimme vor:
Gestern
in den frühen Morgenstunden wurde die Leiche eines 25jährigen Franzosen aus dem
Donaukanal geborgen. Nach Auskunft der Polizei muss der Mann sich in der
vorangegangenen Nacht zunächst die Pulsadern aufgeschnitten haben und dann von
der Friedensbrücke gesprungen sein. Fremdeinwirkung wird von den Ermittlern
ausgeschlossen. Der Mann konnte als vorbestrafter Kopf einer äußerst brutal
agierenden Straßenbande identifiziert werden, auf deren Konto
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