Somnambul Eliza (German Edition)
wollte er wissen
und schaute ihr dabei direkt und prüfend in die Augen.
„Es geht mir wunderbar.“ Sie musste die
Augen von seinem herrlichen Gesicht abwenden, um hinzuzufügen: „Ich habe mich
die ganze Zeit auf heute Abend gefreut.“
„Ich habe mich ebenfalls darauf gefreut,
dich wiederzusehen, Eliza.“
Dann stiegen sie ein.
Wenn Stephan es geschickt angestellt
hatte, hatte er Valeriu heute sehen können. Denn er wusste, wann er Eliza
abholen wollte und seine Wohnung hatte ebenfalls Fenster, die zur
Mondscheingasse hinausgingen. Wilbert war genauso verbindlich wie beim letzten
Mal und Eliza begann sich in der Obhut dieser beiden Männer zu entspannen.
Valeriu wollte wissen, wie sie ihr Wochenende verbracht hatte und sie erzählte
von der Einweihungsfeier und von Stephan und Dirk und Heiko und Petra. Bei der
Charakterisierung Petras brach Valeriu in ein ungemein wohlklingendes,
perlendes Gelächter aus und Eliza fiel auf, dass sie ihn bisher noch nie hatte
lachen gehört. Dann nahm sein Gesicht einen mitleidsvollen Ausdruck an,
„Du Ärmste scheinst deine Qualen aber
tapfer erduldet zu haben. Ich hätte ganz sicher nicht die Geduld aufgebracht
mir das so lange anzuhören. Aber dieser Stephan scheint ein sehr
liebenswürdiger Mensch zu sein und ein guter Freund. Ich würde ihn gerne einmal
kennenlernen, wenn du gestattest.“
„Ich bin mir sicher, die Freude wird
ganz auf seiner Seite sein. Er ist schon ganz neugierig auf dich.“
Dann hielt der Wagen vor der Wiener
Staatsoper und Eliza dämmerte, dass sie es bis hierher versäumt hatte, zu fragen,
was sie denn nun eigentlich sehen würden. Als hätte er ihre Gedanken gelesen,
sagte Valeriu: „Man gibt heute die Zauberflöte . Aber sollte dir das
nicht zusagen, lassen wir die Karten einfach verfallen und unternehmen etwas
anderes.“
Doch Eliza dachte gar nicht daran, sich
die Zauberflöte entgehen zu lassen.
„Wie ich dir schon erzählt habe,
bin ich kein großer Opernkenner. Aber die Zauberflöte begleitet mich
seit meiner Kindheit. Ich liebe sie. Woher konntest du das wissen?“
Valeriu lächelte: „Ich habe es nicht
gewusst. Ich habe es gehofft.“
Dann stieg Wilbert aus und öffnete ihr
die Tür und sofort stand auch Valeriu neben ihr und bot ihr seinen Arm. Es war
Eliza ein Rätsel wie er hatte so schnell um den Wagen herumgehen können.
Sie betraten die prunkvolle
Schwind-Loggia, deren herrliche Zauberflöte-Fresken sie auf den Abend
einstimmten, traten von dort in das eindrucksvolle Foyer und gaben ihre Mäntel
an der Garderobe ab. Wieder traf Eliza Valerius Blick, der nicht nur ihr
Äußeres wahrzunehmen schien, sondern bis auf den Grund ihrer Seele vorzudringen
vermochte.
„Du siehst hinreißend aus, meine Königin
der Nacht“, sagte er und sie musste schmunzeln.
Er hatte einen schmalen schwarzen Anzug
und ein weißen Hemd mit offenem Kragen und ohne Krawatte gewählt. Das Ensemble
war klassisch und saß perfekt, entbehrte aber nicht einem Hauch von
unangepasster Nonchalance. Eliza war sich fast sicher, dass dies das Werk des
unvergleichlichen Modekünstlers Hedi Slimane für das Haus Dior war. Dann war es
Zeit, sich zu den Plätzen zu begeben. Sie schritten die herrschaftliche
Feststiege hinauf und es war etwas ganz anderes, ob man diese Treppe am
Nachmittag aufgrund der Architektur des Hauses aus Sicht der Kunsthistorikerin
betrat oder am Abend als Gast an der Seite eines rumänischen Barons.
Eliza staunte nicht schlecht, als sie
eine Loge im ersten Rang, direkt neben der Mittelloge betraten. Sicherlich
handelte es sich um die teuersten Plätze des Hauses.
„Ich habe mir erlaubt, die ganze Loge zu
reservieren“, setzte Valeriu mit seinem unvergleichlich schelmischen Lächeln
hinzu.
„In der Immobilienbranche scheint man
wirklich ausgezeichnet verdienen zu können“, meinte Eliza und dachte
gleichzeitig an Valerius adlige Abstammung und fragte sich, ob er in
Wirklichkeit einer dieser reichen Dandys war, die von Beruf Sohn waren und es
als einzigen Lebenszweck ansahen, möglichst stilvoll das Familienerbe
durchzubringen. Doch Valeriu durchkreuzte ihre Gedanken, als hätte er sie
vernommen und fragte mit ernstem Gesichtsausdruck: „Was, wenn du gerade mit
einem Kriminellen in der Oper sitzt? Vielleicht einem Juwelendieb und Mörder?“
Es lag so viel Ernsthaftigkeit in seiner
Stimme, dass Eliza für einen Moment das ungute Gefühl beschlich, er könnte
tatsächlich die Wahrheit gesagt haben. Doch dann umspielte wieder
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