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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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Stieglitz, als sich ein in allen Beziehungen
auffälliger Herr den Weg zu ihnen bahnte. Schon von weitem breitete er die Arme
aus, um Valeriu in einer theatralisch übertriebenen Geste zu umarmen.
    „Valeriu, mein Freund! Welch
entzückender Zufall hier auf einen Artgenossen zu stoßen!“ begrüßte er ihn
überschwänglich mit lauter, aber angenehm tiefer Stimme und deutlich
französischem Akzent.
    „Dich hier zu treffen ist in der Tat
eine Überraschung, René. Obwohl du deine Anwesenheit in Wien bereits mehr als
deutlich kundgetan hast“, erwiderte Valeriu reserviert.
    „Du hast Recht, mich zu verleugnen liegt
mir nicht. Nenn mich nostalgisch, doch ich hänge an den alten Sitten. Aber ein
Opernbesuch ist auch nicht frei von Nostalgie, Valeriu. Ich dachte, für dich
wäre die Oper wirklich ein reiner Ort der Muse. Doch ich sehe, du hast gelernt,
dass man den musischen Genuss durchaus mit anderen Sinnesfreuden verbinden
kann.“
    Damit schaute René mit seinen großen,
dunklen Augen herausfordernd zu Eliza hinüber und musterte sie von Kopf bis
Fuß. Sein Blick war stechend und von einer Penetranz, die sie schaudern ließ.
Dieser Mann machte sie nervös und er war ihr auf unerklärliche Weise
unheimlich.
    Entgegen seiner weltmännisch
kultivierten Art unterließ es Valeriu, trotz oder gerade wegen Renés
offenkundigem Interesse an Eliza, die beiden namentlich miteinander bekannt zu
machen. Stattdessen fragte er mit einem frostigen Klang in der Stimme: „Warum
bist du hier, René?“
    „Oh, nur zu meinem Vergnügen. Ich werde
mir nach der Vorstellung noch einen frischen Drink vom Fass genehmigen, wie ich
es immer gehalten habe. Und du? Bewahrst du dir die edelsten Tropfen noch immer
für einen besonderen Anlass auf?“
    „Du weißt, dass wir in dieser Hinsicht
nie einer Meinung waren. Ich bin meinen Prinzipien treu geblieben, wie du den
deinen“, entgegnete Valeriu kühl und Eliza begann sich zu fragen, ob es bei
dieser Unterhaltung wirklich um Wein ging oder ob die beiden irgendeinen Code
verwendeten, zu dem ihr der Schlüssel fehlte. Dann schien das Vorspiel beendet
und René begann von der Inszenierung und dem Gesang des Tamino -Darstellers
zu schwärmen, während er den Sarastro verriss. Sein
breites Grinsen schien unverwüstlich eingemeißelt. Während er sprach, rollte er
die Zunge mehrmals zwischen den Lippen hervor, wie ein Chamäleon, was höchst
unanständig aussah. Dennoch musste Eliza mit einer gewissen Faszination des
Abjekten unwillkürlich hinsehen, nur um sich erneut zu ekeln, als er es wieder
tat.
    Eliza schätzte René auf Mitte Fünfzig
und wäre sein Blick nicht so stechend gewesen, sein Lächeln nicht so diabolisch
und hätte er sein volles schwarzes Haar nicht gegelt und zurückgekämmt getragen, hätte sie diesen Al-Pacino-Typ mit seiner
sportlichen Figur und seinen markanten Zügen durchaus attraktiv gefunden. Er
war kaum größer als sie selbst und damit fast einen Kopf kleiner als Valeriu,
doch er war von einer fast unheimlichen Präsenz und impulsiven Intensität. In
seinem Auftreten lag etwas aufgesetzt Dramatisches und unangenehm Aggressives.
Auch sein Kleidungsstil war auffällig und exzentrisch. Er trug einen teuren
schwarzen Anzug und darunter eine golddurchwirkte Brokatweste. Die Ärmel seines
weißen Hemdes, das mit Biesen verziert war, schauten offen unter den
Anzugärmeln heraus, der Kragen war leger geöffnet und entblößte seine weiße
Brust. Lediglich sein französischer Akzent und seine ungesund wirkende Blässe
unterschieden ihn von den einschlägigen Halbweltgrößen aus Filmen über die
italienische Mafia.
     Eliza schaute zu Valeriu hinüber,
der seit Renés Erscheinen noch eine Spur blasser geworden war und unter einer
erheblichen physischen Anspannung zu stehen schien. Seine Züge waren hart und
eisig, seine schönen bunten Augen wirkten kalt und wachsam, seine Redebeiträge
blieben äußerst knapp und unterkühlt.
    René hingegen hatte offenbar nur Augen
für Eliza, die er noch immer unverblümt und penetrant musterte.
    Dann ertönte das Klingelsignal, das das Ende
der Pause ankündigte und Eliza meinte Erleichterung in Valerius Gesicht zu
lesen. Beide verabschiedeten sich herzlich und verbindlich von Dr. Stieglitz
und seiner Frau. Dann trat René zu Eliza und küsste sie ebenso theatralisch,
wie er Valeriu umarmt hatte, andeutungsweise auf beide Wangen, wobei er
verkündete, wie schön er es gefunden habe, sie kennenzulernen. Eliza atmete den
schweren,

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