Somnambul Eliza (German Edition)
Theaterfundus machen, doch was sie hier erblickte, ging noch weit darüber
hinaus. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und ging zielstrebig auf
einen der Schränke zu, aus dessen eng gedrängtem Inneren ihr etwas Glitzerndes
ins Auge gestochen hatte. Auf ihre Frage „Darf ich?“, während der sie ohnehin
bereits vorsichtig die Kleiderbügel auseinanderhielt, um besser sehen zu
können, antwortete Valeriu mit einem gespielt gönnerhaften „Natürlich.“
Dann hielt sie einen goldbestickten Justaucorps aus schwerem Brokat in der Hand, wie man ihn zu
Zeiten des Rokoko am Hofe getragen hatte. Daneben hingen ein dunkelblauer und
ein schwarzer Gehrock aus Samt, die sich ebenfalls der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts zuordnen ließen. Dazu kamen Kniebundhosen, Westen und
Spitzenhemden mit und ohne Jabots aus der gleichen Epoche und schließlich ging
Eliza auf, dass diese Seite des überdimensionierten begehbaren Kleiderschrankes
einem kleinen Museum der Herrenmode der letzten drei Jahrhunderte gleichkam. Es
folgten in historischer Reihenfolge typische Modelle des Biedermeiers und
elegante, figurbetonte samtene Gehröcke, an denen
Dandys wie Wilde und Baudelaire Gefallen gefunden hätten, sowie Stücke aus den
verschiedenen Dekaden des späten 19. und des gesamten 20. Jahrhunderts. Eliza
konnte sich kaum sattsehen an der Pracht dieser durchweg aristokratischen historischen
Gewandungen und dann hielt sie den anthrazitfarbenen Gehrock in Händen, den
Valeriu in ihrer Phantasie in der Staatsoper getragen hatte.
Eliza bemerkte Valerius beunruhigten
Blick und sie sagte: „Ich glaube, ich habe dieses Kleidungsstück schon einmal
gesehen.“
Mit betont gelassener Stimme entgegnete
er: „Das mag schon sein. Es ist ein prototypisches Stück für die Mode seiner
Zeit und hat sicherlich häufiger in Filmen Verwendung gefunden.“
Doch damit ließ sich Eliza nicht
abfertigen: „Nein, ich meine genau diesen Gehrock mit genau diesen
Samteinsätzen am Kragen. Ich habe dich in der Oper in diesem Gehrock gesehen.“
Valeriu tat überrascht, doch sie konnte
sehen, dass diese Verblüffung nur gespielt war. Mit diesem unwiderstehlichen,
etwas spöttischen Grinsen auf den Lippen sagte er: „Dann scheinst du ja
hellseherische Fähigkeiten zu besitzen.“
Eigentlich wollte sie an dieser Stelle
nicht lockerlassen, doch er würde sie ins Leere laufen lassen, also entschied
Eliza, die Sache fürs Erste auf sich beruhen zu lassen.
Stattdessen sagte sie: „Die schweren,
kostbaren Stoffe werden an Theatern meines Wissens nach nicht verwendet. Sind
das alles Originale oder hast du sie schneidern lassen?“
Valeriu antwortete leichthin: „Es
sind Originale und ich habe sie schneidern lassen – ich sammele sie.“
Eliza vermutete, dass diese
kryptische Antwort zu bedeuten hatte, dass einige Stücke Originale ihrer Zeit
waren und andere nachgeschneidert worden waren.
„Zu schade, dass du keine entsprechenden
Frauenkleider hast. Aber ich würde dich gern einmal in so einem höfischen
Kostüm sehen.“
Eliza zeigte auf den Brokat- Justaucorps . Valeriu lachte sein perlendes Lachen und
entgegnete: „Das gäbe wahrscheinlich ein entsetzliches Bild ab. Nein, das hier
sind nur Relikte, eine Sammlung liebgewonnener Erinnerungen, weiter nichts.“
Dann öffnete Valeriu die Tür zu
seinem Schlafzimmer, einem ungemein sinnlichen Raum mit reicher
Stuckornamentik, in dessen Zentrum ein großes Bett mit zahlreichen Zierkissen
stand. An den Wänden hingen erotische Tuschezeichnungen mit gestisch,
skizzenhaftem Charakter. Was sich genau abspielte, ließ sich erst auf den
zweiten Blick erkennen. Schöne Frauen vergnügten sich gleichermaßen mit Männern
und Tieren, teils fanden der griechischen Mythologie geschuldete Metamorphosen
statt, die Symbiosen aus Mensch, Tier und Pflanze, also sinnliche Chimären wie
Sphinxen und Harpyien schufen. Trotz dieser Grafiken wirkte der Raum
äußerst edel und keineswegs vulgär. Es war genau die Art Schlafzimmer, die sich
eine Frau in ihren Prinzessinnen-Fantasien erträumte, doch es war kein
Schlafzimmer, in dem ein Mann allein schlief, soviel stand fest. Wieder fragte
sich Eliza, ob es bis vor Kurzem eine Dame des Hauses gegeben hatte oder mit
wem Valeriu dieses Liebesnest sonst bereits geteilt haben mochte, doch sie
versuchte diesen Gedanken und das damit verbundene Gefühl zu unterdrücken.
Sie kehrten in den Salon zurück, wo
mittlerweile As Time Goes By spielte und
Valeriu bat Eliza,
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