Somnambul Eliza (German Edition)
Disziplin
erfordert.“
Mit einer Mischung aus
Anerkennung, Neid und unverhohlenem Entzücken betrachtete Stephan Valerius
Körperbau, dessen schlanke, muskulöse Konturen sich unter seiner Kleidung
abzeichneten. Eliza glaubte, Valeriu mittlerweile so gut zu kennen, dass
Körperkult, Sport und Eitelkeit nicht der Grund für seine Abstinenz waren, doch
als sie sah, dass er so tat, als habe Stephan ihn mit seiner Vermutung
durchschaut, ließ auch sie es dabei bewenden. Stephan wirkte noch immer
aufgekratzt und Eliza hatte das unangenehme Gefühl, dass seine Nervosität daher
rührte, dass ihm Valeriu mehr als gut gefiel. Wie ein Wasserfall erzählte er
von seiner Arbeit im Pfandhaus des Dorotheums und
dass auch er versuchte, regelmäßig joggen zu gehen und sich fit zu halten, aber
dass er eben nicht immer die Zeit dazu fände und dass sein innerer Schweinehund
leider ein ziemlich bockiges und launisches Vieh sei.
„Sie haben übrigens schon wieder eine
tote Studentin gefunden. Das scheint um sich zu greifen, wie damals beim
Werther. Schon eine tragische Geschichte, gerade wo es alles so hübsche,
lebenslustige Mädchen gewesen sein sollen. Haben Sie von dieser mysteriösen
Selbstmord-Serie gehört, Herr Baron?“ fragte Stephan, offenbar ängstlich darum bemüht,
bloß keine peinliche Stille einkehren zu lassen und das Gespräch am Laufen zu
halten, koste es, was es wolle.
„Ich habe es in der Zeitung gelesen. In
der Tat ein schockierendes und alarmierendes Phänomen“, erwiderte Valeriu kurz
und für Elizas Geschmack eine Idee zu kühl und zu gleichgültig. Doch dann sah
sie zu Stephan hinüber und was sie dort sah, war eine mehr als ausreichende
Erklärung für Valerius Verhalten. Stephans Blick ruhte ununterbrochen und sehr
direkt auf Valeriu und huschte lediglich von Zeit zu Zeit zwischen dessen
exotischen Augen und seinen schönen Händen hin und her. Die Lautstärke und die
Geschwindigkeit von Stephans Redeschwall war für Eliza anstrengend und sie
lehnte sich in ihre Kissen zurück. Sie hatte Kopfschmerzen, ihr war heiß und
sie hatte Schwierigkeiten, dem Gespräch zwischen den beiden Männern zu folgen.
Valeriu hörte weiter höflich zu und jede seiner wenigen, knappen Bemerkungen
wurde von Stephan aufgenommen und begrüßt wie das Ei des Kolumbus. Schließlich
wandte sich Valeriu demonstrativ Eliza zu und legte ihr, wie schon in der Nacht
zuvor, prüfend seine kalte Hand auf die Stirn. Besorgt sah er sie an. Dann
sagte er, zu Stephan gewandt: „Eliza hat noch immer Fieber. Ich denke, wir
sollten ihr jetzt Ruhe gönnen und unsere Unterhaltung ein andermal fortsetzen.“
Erstaunlicherweise verstand
Stephan den Wink mit dem Zaunpfahl auf Anhieb und verabschiedete sich mit den
vielsagenden Worten: „Na dann will ich euch zwei Hübschen mal allein lassen“,
wobei er Valeriu mit einer Art verunglücktem Hofknicks bedachte und bei Eliza
auf grippetechnischer Distanz blieb.
Als die Wohnungstür ins Schloss gefallen
war, entfuhr Valeriu ein leises Seufzen.
„Was hältst du von Stephan?“, wollte
Eliza wissen.
Valeriu schaute sie an: „Ich finde,
er ist ein wirklich netter Kerl, bloß ein bisschen aufgedreht – und ein
bisschen zu sehr an meinem Körper interessiert“, fügte er stirnrunzelnd hinzu.
Eliza musste grinsen: „Ich schätze, mit
solchen Reaktionen musstest du schon öfter fertig werden.“
Valeriu blickte verständnislos drein.
„Naja, ich dachte, ein so attraktiver
Mann wie du hat sicherlich häufiger mit schwulen Verehrern zu kämpfen.“
Valeriu wirkte ein wenig verunsichert
und zog eine Augenbraue hoch: „Egal, wie es gemeint war, fasse ich das jetzt
als missglücktes Kompliment auf.“
„Bevor ich es vergesse, muss ich dich
unbedingt noch fragen, was für eine Wundertinktur das ist, die heute Morgen auf
meinem Nachttisch stand.“
Eliza deutete auf den Kristallflakon.
„Hast du sie schon benutzt? Ich habe
eine heilkundige Freundin gebeten, sie für dich anzurühren.“
„Was ist denn eine heilkundige
Freundin?“ fragte Eliza, wobei sie das Wort heilkundig ironisch betonte. „Das
klingt ja, als wenn sie eine Hexe wäre“, fügte sie grinsend hinzu.
„Oh, so etwas ähnliches ist sie wohl
auch“, sagte Valeriu nachdenklich.
„Und da hast du die Ärmste allen Ernstes
zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett geklingelt, um die Tinktur für mich
anzurühren?“
„Darum brauchst du dir keine Gedanken zu
machen. Sie leidet an Schlafstörungen und ist immer schon so
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