Somnambul Eliza (German Edition)
was, wenn ich
nicht vor ihr beschützt werden will, sondern sie kennenlernen möchte? Liebster,
lass mich in deine Seele blicken und selbst entscheiden, welche Farbe sie hat.“
Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine
Mundwinkel.
„Du hast keinen Körpereinsatz
nötig, um zu verführen. Du verführst mich mit deinen Worten, pisică mea .
Aber ich kann dich nur bitten, mir zu vertrauen, obwohl auch das sicherlich
kein besonders kluger Rat ist.“
Eliza griff nach seiner kalten Hand:
„Ich werde nicht schlau aus dir, Valeriu. Manchmal fällt es mir schwer, zu
akzeptieren, dass du mir noch immer nicht vertraust. Aber ich habe dir
versprochen, zu warten, bis du bereit bist, mir dein Geheimnis anzuvertrauen.“
Dann wandten sie sich anderen Themen zu
und sprachen unter anderem lange über fremde Länder und Reisen, die sie bereits
gemacht hatten und über andere, die sie gerne unternehmen würden, wobei es schon bald zu einem gewissen Ungleichgewicht kam, denn es
stellte sich heraus, dass Valeriu schon so ziemlich jedes erdenkliche Land
bereist hatte. Seine Erzählungen handelten von nächtlichen Sandstürmen am Rande
der Sahara und von Vollmondnächten in Tanger und Damaskus, von schwülen Abenden
in New Orleans und Sonnenuntergängen an der Steilküste von Santorin .
Eliza mochte seine abgeklärte, ruhige und zurückhaltende Art zu erzählen, die
nichts gemein hatte mit der prahlerischen Großspurigkeit vieler Globetrotter,
die Reisen und Beweisfotos wie Trophäen sammelten, um dem Globus im heimischen
Arbeitszimmer immer weitere Fähnchen und Stecknadeln hinzuzufügen. Valeriu
hatte die Gabe, seine Worte so zu wählen, dass sie im Kopf seines Gesprächspartners
auf wundersame Weise fast plastische Gestalt annahmen. Er schilderte seine
Eindrücke der Natur und der Gerüche, Farben und exotischen Sprachen so
bildhaft, dass sie für Eliza geradezu lebendig wurden. Dabei waren seine Gesten
wenig lebhaft, eher reduziert und prägnant. Er machte niemals ausholende
Armbewegungen, beschränkte sich auf das Wesentlichste und wenn er seine
schönen, schlanken Hände doch zur Hilfe nahm, dann waren ihre Gesten von einer
minimalistischen, kontrollierten Intensität.
Das einzige, was in seinen Berichten
nicht vorkam, waren die Menschen, mit denen er gereist war, was Eliza
schließlich dazu veranlasste, zu fragen: „Mit wem hast du denn all diese
fantastischen Reisen unternommen? Wer hat dich begleitet?“
Valeriu schaute sie einen Moment
lang etwas nachdenklich an. Dann antwortete er: „Die meisten dieser Reisen habe
ich in der Tat allein unternommen. Abgesehen von den Dienstboten natürlich.“
Eliza schmunzelte und wiederholte etwas
ungläubig: „Dienstboten?“
„Ich meine natürlich die Träger und
Führer“, verbesserte sich Valeriu schnell.
„Ist es nicht sehr einsam, so allein zu
reisen?“ fragte Eliza, der es noch nie in den Sinn gekommen war, ohne die
Gesellschaft ihrer Freunde oder Eltern in Urlaub zu fahren.
„Nun, natürlich gibt es einsame Momente,
aber es gibt auch sehr friedvolle und erkenntnisreiche Phasen, in denen man
einen gewissen Abstand zur Welt und zur eigenen Existenz gewinnt. Man ist auf
sich selbst zurückgeworfen und kann bestimmten Fragen, die man im Alltag gern
verdrängt, nicht aus dem Wege gehen. Das kann schmerzhaft, aber auch sehr
gesund sein.“
„Wenn du erzählst, habe ich manchmal das
Gefühl, du wärst schon sehr lang auf dieser Welt“, sagte Eliza nachdenklich.
Als sie sah, wie er auf die für ihn
typische Art eine Augenbraue hochzog, beeilte sie sich, fortzufahren: „Versteh
mich nicht falsch, ich meine nicht, dass du alt oder gar altklug klingst, aber
deine Worte sind so abgeklärt und weise, als hättest du schon weit mehr als nur
dieses eine Leben gelebt.“
Valeriu sah sie auf eine eigenartige
Weise an. Sie vermochte den intensiven Blick seiner schillernden Opalaugen
nicht zu deuten, aber sie spürte ihn bis ins Mark. Da war Zweifel in seiner
Miene, Verblüffung, eine Spur von Faszination und Zorn und für einen kostbaren
Augenblick hatte sie das Gefühl, er habe jegliche Maskerade fallen lassen und
sie könne durch seine magischen Augen bis in seine Seele schauen.
Dann zogen sich seine perfekt
geschwungenen Brauen leicht zusammen und in seine fragende Miene mischte sich
distanzschaffende Ironie.
„Ich hätte niemals gedacht, dass
ausgerechnet du an Wiedergeburt glaubst“, sagte er grinsend und seine Stimme
klang fast verletzend spöttisch.
„Ich habe
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