Somniferus
begangen. Aber
hier ging es um eine Güterabwägung. Und wie schwer wiegt
schon ein einziges Buch eines Bibliophilen, der Tausende
Kostbarkeiten besitzt, gegen ein Menschenleben – nämlich
meines? Ich redete mir gut zu und versuchte mich immer wieder davon
zu überzeugen, dass meine eigenen berechtigten Interessen
wichtiger seien als die von Friedrich Adolphi. Endlich hatte ich
genügend Mut geschöpft, um an die Ausführung meines
Plans zu gehen. Ich machte mich unter beruhigendem Vogelgezwitscher
auf den Rückweg nach Manderscheid.
* * *
Ich bin ein Feigling. Daher kam eine direkte Konfrontation mit
Friedrich Adolphi nicht in Frage. Es blieb nur die Möglichkeit
eines Einbruchs. Und damit musste ich bis zum Abend – oder
besser: bis zur Nacht warten. Adolphi lauschte und horchte offenbar
andauernd auf tatsächliche oder eingebildete Geräusche;
also musste ich unendlich vorsichtig sein. Natürlich würde
der Verdacht sofort auf mich fallen, aber dann hätte ich das
Buch schon längst an Heinrich Harder weitergereicht. Es blieb
zwar die Gefahr, dass meine Verbindung zu ihm offenbar wurde, doch
dieses Risiko musste ich eingehen. Was hatte ich schon zu
verlieren?
Ich suchte im Haus nach geeignetem Einbruchswerkzeug und fand
schließlich eine alte Brechstange sowie ein langes,
angerostetes Messer. Bestimmt würde sich ein schlecht
gesichertes Kellerfenster oder eine Hintertür finden, die meinen
Bemühungen nicht lange standhielten, redete ich mir ein. Ich kam
mir ein wenig lächerlich vor, ohne jede Ahnung oder Erfahrung
einen Einbruch zu wagen, aber was blieb mir anderes übrig?
Außerdem war da ja noch der Zufall, auf den man immer vertrauen
sollte. Falls ich mit diesem bruchstückhaften Plan keinen Erfolg
haben sollte, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, aber
zunächst galt es, einen Versuch zu wagen.
Der Abend wurde lang. Erst gegen Mitternacht verließ ich das
Haus und schlich die wie ausgestorben daliegende
Kurfürstenstraße hoch. Ich achtete darauf, dass mir
niemand begegnete. Ungefähr in der Höhe des früheren Delta-Marktes sah ich, wie mir jemand entgegenkam. Es war Frau
Junk. Sofort flüchtete ich in den Durchgang neben dem
Gebäude des Supermarktes, der die Straße mit dem
darunterliegenden Kurpark verband. Ich drückte mich in die
Schatten und wartete, bis das laute Klappern der hohen Absätze
auf dem Pflaster allmählich erstarb. Dann traute ich mich wieder
hinaus auf die Straße.
Ich huschte am Kreisel des Ceresplatzes vorbei, bog in die Dauner
Straße ein und stand bald wieder mit klopfendem Herzen vor
Adolphis Haus.
In einem Zimmer neben der Bibliothek brannte noch Licht! Und ein
Wagen stand in der Einfahrt. Es war ein kleiner roter Renault mit
Kölner Kennzeichen. Ich hatte mir keinen unpassenderen
Augenblick für meinen geplanten Raubzug aussuchen können.
Was nun? Sollte ich lieber schnell den Rückzug antreten? Nein,
ich wollte erst wissen, wer da zu Besuch gekommen war. Informationen
konnten in meiner Lage nicht schaden.
Ich schlich an das geschlossene schmiedeeiserne Tor, drückte
es behutsam auf – zum Glück war es gut geölt –,
schloss es leise hinter mir und sah mich rasch um, um mich zu
vergewissern, dass mich niemand beobachtet hatte. Aber die
Straße lag wie eine unbenutzte Theaterkulisse unter dem
schwarzen Schleier der Nacht.
Ich pirschte mich an das hell erleuchtete Fenster heran. Es lag
recht hoch, aber wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte
ich durch die Geranienkästen spähen. Die Blumen verbargen
mich hervorragend. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf Adolphi, der
in einem schweren Ledersessel saß, ein Glas mit Rotwein in der
Hand hielt und aufgeregt redete. Ihm gegenüber saß eine
junge, dunkelhaarige Frau, die ihm aufmerksam zuhörte. In ihrem
Blick lag eindeutig Besorgnis. Plötzlich sprang Adolphi auf.
Dabei verschüttete er etwas Rotwein. Auch die junge Frau flog
auf und lief auf ihn zu. Das war das Letzte, was ich sah, denn ich
duckte mich sofort unter das Fenster.
Adolphi hatte in meine Richtung geschaut!
Halb erwartete ich, dass er das Fenster öffnen und
hinausschauen würde. Aber es blieb alles still über mir.
Vielleicht hatte er mich doch nicht gesehen. Ich traute mich nicht
mehr, auf meinen Bobachtungsposten zurückzukehren. Stattdessen
schlich ich an die Seite des Hauses, an der sich die Eingangstür
befand.
Wer mochte die junge Frau sein? Seine Frau? Dagegen sprach neben
ihrem Alter auch das Kölner Kennzeichen des
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