Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Der Anblick der drei dämpfte seine Euphorie. Heimlich verschwinden, das fühlte sich nach Gewissensbissen an. Besonders um Waldipert tat es ihm leid. Aber er konnte den Untoten ja nicht mitnehmen. Auch die anderen nicht. Tarabas schlich zur Leiter und kletterte zu Vincent hoch.
Er musste sich zu ihm auf das Strohbett setzen und nahm Sinibaldo auf den Schoß. Während er dem Maulwurf das Fell kraulte, erzählte er von der Höhle, dem Ausweg aus diesem Land. »Pack deine Sachen. Es geht nach Hause!«
Vincent sah zum Fenster, nachdenklich. Man hörte Saxo von Falkenthal, und dass Waldipert ein Lied musiziert haben wollte. Bald erklangen erneut die schiefen Töne eines Mundharmonikaspiels.
Sinibaldo maunzte zufrieden, bis Tarabas das Kraulen einstellte, und seinen Freund fragte, was los sei. »Ich bring uns hier raus, da könntest du freudiger schauen.«
»Es geht nicht.«
»Bitte was?«
»Maunz!«
Tarabas hielt dem Maulwurf die Schnauze zu, weil ihm das Maunzen auf die Nerven ging. »Hauen wir ab, solange wir noch können.«
»Und leben in einem Keller weiter, so wie Waldipert bei Fumè?« Vincent stieg aus dem Bett und ging zum Fenster. Tarabas ließ Sinibaldos Schnauze los, wobei der Maulwurf hörbar ausschnaufte. »Wir verstecken uns nur so lange, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
»Und dann?«
»Was und dann?«
»Was ist mit den Abandoniern hier? Willst du sie ihrem Schicksal überlassen?«
Tarabas reichte es. Er setzte Sinibaldo auf dem Strohbett ab und stand auf. »Was bleibt uns anderes übrig? Sie sind nun mal Abandonier.«
»Aber doch gutmütige Wesen, oder nicht?« Vincent stellte sich vor Tarabas, packte ihn an den Armen und schüttelte ihn. »Du siehst doch selbst, dass hier Unrechtes geschieht. Stehen wir ihnen bei und kämpfen für eine andere Sache. Eine gute Sache! Du willst doch der größte Krieger aller Zeiten werden, erinnerst du dich?«
Tarabas drückte sich beschämt weg. »Ich kann noch nicht mal einen Ast in einen Speer verwandeln.«
»Dann sterben wir eben. Seite an Seite. Das war unser Schwur!«
»Aber wir müssen nicht sterben.« Tarabas schüttelte den Kopf. Vincent wandte sich wieder zum Fenster. »Ich muss und werde hierbleiben.«
»Was willst du mir damit sagen?« Tarabas stützte sich auf dem Holzbottich auf, er hatte es sich einfacher vorgestellt. Sinibaldo sah ihn an, öffnete sein Maul und schloss es wieder, ohne zu maunzen.
»Du schämst dich für deinen Vater, weil der seine Freunde im Stich gelassen hat«, erklärte Vincent.
»Das hier sind nicht meine Freunde«, zischte Tarabas und trat gegen den Holzbottich, weil es ihn ärgerte, dass sein bester Freund zu dieser Sache mit seinem Vater Vergleiche zog.
»Aber meine Freunde sind es. Wenn ich sie im Stich lasse, werde ich mir das ewig vorwerfen müssen.«
Mach doch, was du willst!
Tarabas verließ wutentbrannt die Baracke. Kein Gewissen der Welt konnte ihn zurückhalten und auch kein Schwur. Er war entschlossen, das alles hinter sich zu lassen und sich nicht einmal von Mazelina zu verabschieden.
Als er den Eingang zur Höhle erreichte, war die Wut abgeflaut und das schlechte Gewissen machte sich breit. Er konnte Vincent nicht zurücklassen und mit Waldipert ging es ihm ähnlich. Jetzt, wo er einiges über den Untoten erfahren hatte und er ihm etwas ans Herz gewachsen war. Auch die Meerjungfrau, Rodelinda, die anderen, sie alle waren ihm vertraut geworden, die Lagerfeuernächte wollte er auch nicht mehr missen. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte, aber er konnte das alles nicht zurücklassen. Vielleicht würden sie ihm nach Samata folgen, er würde Fumè bitten, einen Unterschlupf zu finden, bis alles vorüber war und die Abandonier zurück in ihre Welt konnten.
Er redete es sich schön, denn insgeheim war ihm klar, dass es sich hier nie mehr leben ließe, nachdem Uldin und sein Heer in diesem Land brandgeschatzt hätten. Fumè würde ihnen auch nicht helfen können, da er unter besonderer Beobachtung stand und auch nicht mehr des Zauberns mächtig war. Trotzdem blieb Tarabas. Er musste lächeln, weil er damit Vincent überraschen konnte und auch, weil er spürte, dass ihn das zu einem besseren Glatzköpfler machte im Vergleich zu seinem Vater.
***
Sinibaldo saß bei Vincent auf dem Strohbett und schaufelte mit seinen Pfoten in der Luft. Sein Maunzen klang gequält.
Vincent tätschelte ihn. »Gleich kannst du austreten. Gib mir nur einen Moment.« Er sah zum Holzbottich und hörte
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